Wiel Arets, Bild und Material

Wiel Arets, Bild und Material

Neben den plastisch geformten Fassadentafeln werden an der Bibliothek in Utrecht auch bedruckte Glasscheiben verwendet. Auch in Wallisellen am Hauptsitz der Allianz Versicherung kommen solche bedruckten Gläser zum Einsatz. Obschon die beiden Fassaden vom selben Architekten verantwortet sind, mit derselben Technik erstellt wurden und gleichermassen bildlich wirken, lassen sie sich kontrovers diskutieren.

(…vorher) Die zwei Bauten ähneln sich in der Regelmässigkeit der immer gleichen Fassadenplatten. Doch damit endet die Übereinstimmung bereits. Im Unterschied zur Bibliothek bestehen die Elemente am Bürohaus nur aus bedruckten Glasflächen. Die plastische Qualität der Reliefplatten entfällt. Wir haben es mit einer reinen Glashülle zu tun.

Die Bedruckung selbst bezieht sich nicht auf die einzelne Tafel. Sie bildet aus je zwei Platten eine Einheit, indem sie zusammengesetzt die Umrandung einer Lochfassade zeichnet. Diese Lochung zeigt sich als übergeordnetes gestalterisches Thema. Mit der Farbschicht wird auf der Glasfläche eine Natursteinmusterung simuliert, welche wiederum eine Lochfassade illustriert.

Dieser Umstand macht das Bauwerk zu einem kontroversen Architekturobjekt. Kritik am Bau wird von den Hütern der Materialechtheit geübt. Der Architekt muss sich den Vorwurf gefallen lassen, er hätte mit billigen Bildern teuren Marmor erzeugen wollen (obschon eine Glaslösung auch nicht ganz so günstig sein dürfte). Die Puristen werden ihm seine Schildbürgerei ankreiden, mit der er die Vorgaben des Gestaltungsplanes ad Absurdum führt. Es scheint als habe er mit dem Siebdruck seinem Glasbau den Anschein geben wollen, er bestehe aus dem geforderten Stein. Dieses Ansinnen, falls es denn zutrifft, ist gescheitert. Das Bauwerk sticht als einziges aus der Umgebung heraus. Die Wirkung des Glases ist letztendlich, nicht überraschend, stärker als jene der Farbe. Der alchemische Zauber, der ein Bild zum Material verwandeln sollte, ist augenscheinlich gescheitert.

Vergleicht man die beiden Bauten, erkennt man die diametral verschiedenen Ansätze, die mit beiden Fassaden verfolgt werden. In Utrecht wird die Fassadenplatte durch ihren Bildinhalt, ihre Ausarbeitung und ihre Wiederholung zu einem künstlerischen Objekt stilisiert. Nach Materialechtheit wird nicht gefragt und auch nicht danach, ob die Fassade etwas anderes darstellen möchte als sie ist. Die Gebäudeoberfläche besteht aus in sich stimmigen künstlerischen Objekten. Ihre Materialität ist, wenn auch vorhanden, so doch nicht relevant. Der Betrachter fühlt sich kaum dazu aufgefordert nach der Echtheit des Dargestellten zu fragen. Ganz anders verhält es sich in Wallisellen. Die abgebildete Materialität und die herkömmliche Lochfassade stehen hier im Vordergrund. Das Gebäude deutet Themen an, die es unmissverständlich nicht bereit ist zu Ende zu erzählen. Es ist fast so, als würde uns das Haus zurufen: Ich könnte zwar, aber tue es nicht!

Ist dieser Ausdruck so gewollt? Wenn wir uns vor Augen halten, wer der Autor ist, kommt man nicht umhin noch ein wenig weiter zu forschen. (Weiter bei …)