Port Grimaud, Anlehnung

Port Grimaud, Anlehnung

Aus welchen Faktoren soll sich eine Siedlungsplanung beziehen, wenn sie von den Qualitäten des mittelalterlichen Städtebaus profitieren möchte, und woran hat sich die Feriensiedlung Port Grimaud ausgerichtet?

(… vorher) Interessante Aspekte an Altstädten sind ihre Geschichte, ihr Flair, ihr malerischer Ausdruck, ihre Form, ihre Anpassung an das Terrain, ihre Proportionierung, ihre Typologie, ihre Pragmatik, ihre Effizienz und ihre innere Flexibilität. Diese Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie stellt nur die vorläufige Grundlage für die zu besprechende Fragenstellung. Auf welche dieser Faktoren soll sich die Planung also beziehen?

Die Antwort von François Spoerry auf diese Frage war bei der Feriensiedlung Port Grimaud  offensichtlicherweise der malerische Ausdruck und das damit zusammenhängende Flair. Geschichtlichkeit kann sich bei einer Neugründung noch nicht eingestellt haben. Die Form scheint mehr aus den inneren Bedürfnissen abgeleitet zu sein, als aus den topografischen Gegebenheiten. Die Proportionierung wurde nur dort eingesetzt, wo sie die Bedürfnisse der Käufer nicht stört. Ansonsten hätte es die grosszügigen Wasserstrassen mit senkrechten Anlegestellen nicht gegeben. In Folge dessen stellt auch die Typologie eine Neuentwicklung dar. Pragmatik und Effizienz entfalten sich denn auch nicht hinsichtlich eines minimierten Ressourcenverbrauches, sondern bezüglich eines möglichst optimalen Vermarktungspotenzials. Zum Beispiel hätte der Baugrund wesentlich besser ausgenützt werden können, in dem Viergeschosser statt Zwei- und Dreigeschosser erstellt worden wären. Mit einer höheren Geschossigkeit hätten die Investoren jedoch Einbussen beim kleinmassstäblichen Flair riskiert und damit die Vermarktung als Ganzes auf Spiel gesetzt. Als letzte mögliche Eigenschaft kann auch der Flexibilität eine unbedeutende Rolle zugesprochen werden. Aus der Sicht der Geldgeber ist der Zweck der Form nach dem erfolgreichen Verkauf erfüllt gewesen. Flexibilität ist nur dann wichtig, wenn sich die Siedlung frei weiterentwickeln können soll. Das wiederum ist nur dann sinnvoll, wenn sich die Wohn- und Wirtschaftsformen verändern. Doch davon sind die Entwickler wohl kaum ausgegangen. Zum einen ist bei einer Feriensiedlung die Wohnform zugleich auch die Wirtschaftsform. Zum anderen war in den Sechzigern das Bewusstsein für einen zukünftig grösseren Wohnraumbedarf eher klein.

Stimmt man der Einschätzung über die Formbildung von Port Grimaud zu, dann ist die Siedlung das Resultat einer eher eindimensionalen Denkweise. Wie sich gezeigt hat, gibt es eine Vielzahl an interessanten Aspekten, welche von der mittelalterlichen Stadt übernommen und weiterentwickelt werden können. Der Vorwurf steht im Raum, dass durch das Beiseiteschieben dieser Aspekte ein erheblicher Zuwachs an Qualität verspielt worden ist. Dennoch ist die erreichte Qualität beeindruckend und die Beweisführung steht noch aus, dass die Zeit nicht doch noch einige weitere Aspekte zur Entfaltung bringen kann. Wer weiss, vielleicht ändern sich dereinst die Bauregeln in der Siedlung und machen eine Weiterentwicklung möglich. Geschichtlichkeit ist nicht etwas, was in Jahrzehnten gemessen wird, sondern in Gebäudegenerationen und Jahrhunderten. (Weiter bei…)