Typologie-Korsage
Die Stadt besteht aus ganz unterschiedlichen Quartieren mit den entsprechenden Charakteristika. Die Differenzen können als eine Qualität begriffen werden, da die Stadt so den verschiedensten Bedürfnissen ihrer Bewohner Rechnung tragen kann. Zur Stärkung der Identität in den einzelnen Gebieten ist die Durchsetzung einer gewissen Einheitlichkeit kaum abzulehnen. Die wesentliche Frage die sich stellt ist, wie eng das typologische Korsett geschnürt werden soll.
(…vorher) Es liegt auf der Hand, dass die wild gestreuten Punktbauten in einer durchgrünten Umgebung nie als Einheit mit dem geschlossenen Blockrand durchgehen werden. Zwischen Punktbauten und leicht länglicheren Volumen ist ein Entscheid aber schon nicht mehr so einfach. Reden wir hier noch von derselben Typologie, weil doch die Zwischenräume auch als durchgängige Flächen erscheinen und keine klare Abgrenzung an den Rändern erzeugt wird. Oder kippt auf Grund der länglichen Gebäudezwischenräume die Siedlung doch in eine eigene Form des Ausdruckes? Noch heikler wird die Abwägung, wenn bei den Längsbauten Knicke eingeführt werden. Wo werden die Zwischenräume noch als überwiegend parallele Zonen gelesen und ab welchem Winkel entstehen gefasste, nischenartige Bereiche in einem sonst fliessenden Raum?
Will man sich diese Diskussion bei der Beurteilung neuer Projekte ersparen, gibt man die Typologie bis ins letzte Detail vor. Vom Gebäudeabstand, über das mögliche Formenrepertoire, bis hin zur Fassadenmaterialisierung lässt sich alles bis ins Kleinste beschreiben. Der Aufwand der dabei entsteht ist enorm. De facto legt die Behörde die Wesenszüge der Architektur fest. Der Architekt muss sich mit der Rolle des Ausführungsgehilfen begnügen. In Sachen Flexibilität lässt ein solches Vorgehen zu wünschen übrig, ganz zu schweigen von der rechtlichen und politischen Durchsetzbarkeit.
Vielversprechender ist es eine Grundrichtung vorzugeben, bei der nur die groben Wesenszüge festgelegt werden. Eine, sagen wir „literarische“, Erzählung über den Charakter des Quartiers könnte die Ausgangslage für den Gestaltungsprozess der Architekten sein. Eine solche Zieldefinition ermöglicht eine hohe Flexibilität in der Ausgestaltung der einzelnen Projekte. Sie birgt allerdings auch die Gefahr des Zerfalls des angestrebten Zielbildes.
Für eine erfolgreiche Lenkung des Stadtbildes ist wohl eine Kombination der beiden Lenkungsformen notwendig. Eine Zielwertdefinition müsste demnach mit einer Bandbreite von möglichen Gestaltungsmitteln sekundiert werden. Damit könnten die gröbsten typologischen Querschläger verhindert werden, ohne die Architekturproduktion zu sehr einzuschränken. (Weiter bei …)