Staub

Staub

Staub ist allgegenwärtig, er setzt sich Tag für Tag auf die Horizontalen unserer Welt. Wir mögen ihn nicht, weil er immer da ist, auch wenn wir ihn ständig wegwischen und niesen müssen, wenn wir es nicht tun. Auch in der Architektur gibt es eine Form von Staub.

(…vorher) In den vorangegangenen Texten ist das Wort schon ein zweimal gefallen: Gebäude wirken verstaubt. Es scheint so, als wäre das Wort Staub ein sehr schwammiger Begriff, der von jedem anders verstanden werden kann. Doch ästhetische Verstaubtheiten sind keine Frage des Geschmacks oder der Perspektive. In vielen Fällen können sie einwandfrei nachgewiesen werden. Denn mit dem Bild des Staubes ist keine komplexe Wirkung gemeint. Mit dem Ausdruck werden einzelne Elemente einer Gestaltung beschrieben, die das Gebäude in eine vergangene Epoche zurück versetzen. Es geht dabei um Teile die das Gebäude, wie das auch der Staub bewirkt, älter erscheinen lässt, als sie wirklich sind. Es sind Stücke die ihrem Aussehen nach klar einer vergangen Epoche zugeordnet werden können.

Für diese Form von Staub ist das Haus Steinwies-/Irisstrasse von Edelaar Mosayebi Inderbitzin ein gutes Beispiel. Das elegante Mehrfamilienhaus fügt sich mit seiner vielgliedrigen Form in einen alten Villenpark ein. Die Ausgestaltung der Fassade orientiert sich laut den Architekten am Bild von Ruinen. Das Gebäude soll sich, dieser Idee folgend, in die Natur des Parks einfügen. Und tatsächlich kann man in den vertikalen, grün geplättelten Mauerstreifen moosüberwachsene Baureste sehen, welche die Natur zurückerobert hat. Soweit ist der Entwurf in seinen Zielsetzungen erfolgreich.

Ob beabsichtigt oder nicht, es gibt neben dem Bild der Ruine auch noch eine andere Lesart der Mauerstreifen. In den 70-er Jahren war dieses Sujet eine beliebte Form der Fassadenstrukturierung. Zu hunderten wurden triste, verputze Wohnblöcke mit zurückversetzten vertikalen Fensterreihen gebaut. Zudem deuten die dunkelgrünen Fassadenplatten in jene Zeit zurück, auch wenn sie damals mehr in Bad und Küchen Anwendung gefunden haben. Es ist also gut möglich, dass dem Passanten nicht zuerst die Ruine in den Sinn kommt, sondern die ruinöse Gestaltung von faden Siebzigerjahreblöcke.

Welcher Lesart der Betrachter den Vorzug gibt, kann der Autor nicht beeinflussen. Edelaar Mosayebi Inderbitzin müssen die Verbindung ihres Werkes mit der unbeliebten Baugeschichte in Kauf nehmen, auch wenn sie die Romantik der Ruine erzeugen wollen. Der Staub hat sich über eine neue Gestaltung gelegt und den einen oder anderen wird es beim Vorübergehen in der Nase kräuseln. (Weiter bei…)