Unterordnung

Unterordnung

Wenn die Architektur der Gebäude zu Gunsten der Stadtwirkung in den Hintergrund rücken soll, was ist dann noch die Rolle der Architekten?

(…vorher) Zwischen der Qualität der Stadt und den Ansprüchen der Architekten gibt es einen Konflikt. Gute Städte und aussergewöhnliche Architektur gehen kaum zusammen. Gute Architektur im Sinne des Städtebaus ordnet sich zuallererst unter. Erst in einem zweiten Schritt werden die Feinheiten der architektonischen Gestaltung relevant. Ganz anders wird die Rolle der Gebäude von den Architekten beurteilt. Sie sehen ihr einzelnes Werk im Vordergrund der Wahrnehmung.

Unbestritten, es gibt Gebäudetypen, welche sich geradezu notwendigerweise vom Rest der Siedlung absetzten, müssen, doch kann eine Stadt aus lauter Kathedralen bestehen und gleichzeitig eine sinnvolle Einheit bilden? Eine Hervorhebung von Bauten macht nur dann Sinn, wenn die Nutzung solcher Gebäude eine besondere Stellung für die Gesellschaft hat. Bei Wohnbauten ist dieser Umstand nicht gegeben. Wer also nicht gerade mit der beneidenswerten Aufgabe betraut ist, ein Kunstmuseum zu planen, der tut der Stadterscheinung durch langweilige Unterordnung mehr Gutes als durch kreative Extravaganz.

Bei den meisten Architekten stösst eine solche Haltung nicht auf Gegenliebe. Dies ist nicht verwunderlich, da der Antrieb für den Beruf bei vielen in den Möglichkeiten des Gestaltens liegt. Was bleibt den Designern und Planern noch, wenn sie einen Grossteil ihres Bauwerkes vorgegeben bekommen? Letztlich verkommt der Architekt zum Ausführungsgehilfen eines kommunalen Diktats. Aber nicht nur unter den Gestaltern dürfte eine gestalterische Einschränkung dieses Ausmasses für Ablehnung sorgen: Zunächst sehen sich die Bauherren ihrer Freiheit beraubt, auf ihrem Grundstück tun und lassen zu können was sie wollen. Aber auch die Behörden müssen umdenken. Wird der Stadtplan konsequent angewandt, kann auf das Abhalten von Architekturwettbewerben komplett verzichtet werden. Architekten können über Honorarofferten bestimmt werden. Die Ästhetik des einzelnen Gebäudes spielt ja eine untergeordnete Rolle.

Der Unmut über diese Einschränkungen und Veränderungen sind eine nachvollziehbare Folge eines städtebaulichen Paradigmawechsels. Wenn die Städtebaustrategien dem 18.- und 19. Jahrhundert entliehen werden, dann folgt früher oder später auch das Berufsbild des Planers diesen Prinzipien. Nicht das die Stadt dann gleich aussieht, wie vor 200 Jahren, dazu ist in der Zwischenzeit ästhetisch zu viel geschehen. Vielmehr geht es um die Stadtgestaltung aus der Warte eines übergeordneten Gesamtblickes und nicht aus der Zersplitterten Sicht unzähliger, sich selbst verwirklichenden Autoren. Die Frage bleibt aber offen, ob in einer Zeit, in welcher der Individualismus zur gesellschaftlichen Hauptdoktrin mutiert ist, ein Kurswechsel hin zum baulich umgesetzten Gemeinschaftssinn Erfolg haben kann. (Weiter bei…)