Stadtvorgarten, Innenhof als sozialer Katalysator
In der Debatte um den Gemeinschaftssinn in Siedlungen und Quartieren gibt es ein hervorstechendes Beispiel in der Stadt Zürich: Adrian Streichs Innenhof in der Green City. Hier wurde mit Beton und Stahl ein soziales Experiment gebaut.
(… vorher) Der Neubau an der xx-Strasse xx ist von aussen gesehen ein einfacher Quader mit kleinem Innenhof. Die Anlage ist gut gemacht, lässt auf den ersten Blick aber nicht erahnen, dass es sich hier um ein ziemlich extremes, soziales Experiment handelt. In der Anlage sind zwei Vierspänner zusammengefügt, jeweils zwei Wohnungen mit Balkonen nach aussen- und vier zum Innenhof hin ausgerichtet. Während die Balkonwohnungen typologisch recht klassisch funktionieren, sind die Hofwohnungen gelinde gesagt, besonders. Sie verfügen nämlich nicht über einen abgetrennten Balkon auf der Aussenseite des Hauses und ein paar Lüftungsflügel in den Innenhof. Die Wohnungsaussenräume sind in Form eines Umlaufenden Laubenganges im Innenhof selbst platziert. Die Bewohner sind gezwungen sich mit ihren Nachbarn auseinander zu setzten.
Dieses bauliche Zusammenbringen der Menschen, zieht sich konsequent durch die ganze Grundrissgestaltung. Die Küche, der Essplatz und die Gangbereiche sind auf den Innenhof ausgerichtet. Grosse, raumhohe Fenster ermöglichen den ungehinderten Blick aus und in die Wohnung. Die Nachbarn können sich beim Abendessen zuwinken, denn ausser Vorhängen sind keine Sichtschutzelemente umgesetzt. Der Laubengang selbst ist ebenfalls eher schmal dimensioniert. Als eine Art Schwellenschicht wirkt die Konstruktion damit nur bedingt. Direkt vor der Küche lässt sich nur ein kleines Tischchen stellen, daneben führt, mit dem Treppenlauf, eine allgemein zugängliche Zone am eigenen Aussenraum vorbei. Am direktesten prallen allgemeine und «private» Aussenräume auf dem Niveau des Innenhofes zusammen. Dort wo sich die Kinder zum Spielen treffen, liegen ebenfalls Wohnungen. Ohne bauliche Schwellen zu einem sehr belebten Raum, wird hier die soziale Kollision in Extremform zelebriert.
Nicht grundlos hat der Bauherr die Wohnung konsequent an junge Familien vermietet. Die fehlende Intimsphäre im Aussenraum wird mit den Vorteilen eines geschützten Spielbereiches kompensiert. Hier können die Eltern ihre Sprösslinge auf eigene Faust losziehen lassen, ohne Angst vor den Aussenraumgefahren haben zu müssen. Auch verhindert der überschaubare Hof lange Suchaktionen, nachdem man die Knirpse für ein paar Augenblicke unbeaufsichtigt gelassen hat. Gerade für Kleinkinder gibt es hier wertvolle Freiheitsgrade ohne die dazugehörenden Gefahren.
Zurzeit scheint das Innenhofkonzept zu funktionieren. Einfache Kinderbetreuung und einfache Kontakte unter den Nachbarn sind die grossen Pluspunkte. Die grosse Frage aber lautet, wie sich diese positiven Faktoren in den nächsten Jahren entwickeln werden. Die Kinder werden älter und treiben sich dann nicht mehr im Blickdistanz zu den Eltern herum. Der Hof entvölkert sich. Der Lärm der spielenden Kinder wandelt sich zur lauter Popmusik der Jugendlichen, wogegen die Eltern einfach nur die Abendruhe geniessen wollen. Dann ziehen auch neue Familien ein, deren Kinder aus der Sicht der Alteingesessenen viel zu laut sind. Längst ist das Geschrei der eigenen Racker vergessen. Die Nähe des Hofes bringt viel mögliches Konfliktpotenzial, heute und noch verstärkt in der Zukunft. Wie gesagt, es handelt sich hier um ein ziemlich extremes soziales Experiment – eines das erste gerade angelaufen ist. (Weiter bei…)