Kernstadt-Platz, Konsens
Es ist offensichtlich was an der Europaallee schief gegangen ist. Hier fand in verdichteter Weise das statt, wofür sich Zürich in den letzten Jahren ganz allgemein hervorgetan hat: Die Stadt wird durch unterschiedliche Gestaltungen zerstückelt. Doch wie hätte man das alles besser machen können? Antworten auf diese Frage kann uns wiederum die Bahnhofstrasse geben.
(…vorher) Es ist verrückt, die Bahnhofstrasse wurde nicht als Grossprojekt in einem Guss gebaut, und dennoch wirkt sie einheitlicher als die Europaallee. Woran mag das liegen? Über die ganzen 1’100 Meter des Strassenzuges, vom Bahnhof bis zur Nationalbank, sind 71% der Fassadenlänge in Sandstein gehalten und stammen aus derselben Epoche. Obschon sich diese Bauten in den Details stark unterscheiden, weisen sie Ähnlichkeiten in den Proportionen, Höhenteilungen und Stilelementen auf:
Auf 87% der Fassadenfläche bestehen markante Sockelgeschosse und ähnliche Traufhöhen; auf 84% sind die Schaufenster ähnlich gefasst; auf 86% bestehen hochrechteckige Lochfenster; auf 81% gibt es reichhaltige Fassadenstrukturierungen mit vorgestellten Säulen und Balkonen; auf 85% sind die Fenster mit ausgeprägten Gewänden gefasst. All diese vorherrschenden baulichen Elemente fassen die Fassadenoberflächen zu einem Ganzen zusammen.
Ausnahmen in diesem Gesamtbild können als Störfaktoren verstanden werden. Sie bringen den Gesamteindruck aber nicht zum Kippen. Dies hängt mit den Flächenverhältnissen zusammen aber auch mit den Fassadenlängen im Einzelnen. 67% der Fassaden hat eine Länge von 10 bis 20 Metern. Weitere 20% bewegen sich zwischen 20 und 40 Metern. Die Restlichen 13% Häuser haben eine Fassadenlänge von 40 bis 80 Metern. Im Mittel liegen die Häuserfronten bei einer Länge von 22m. Ein Baufeld kann damit zwar immer eine stattliche Wirkung entfalten, dominiert aber nie die Gesamtsituation. Auf die ganze Strassenabwicklung gesehen, bleibt sie ein kleiner Teil. So treten abweichende Fassaden nie zu stark in den Vordergrund.
Auch bei der Entwicklung der Europaallee hätten Massnahmen, wie die Fassadenlängenbeschränkung, die Festlegung von Proportionen und Stilmitteln zur Einheit geführt. Die städtebauliche Planung hätte sich nicht nur auf die Verteilung der Volumen und die Formulierung des Aussenraumes beschränken dürfen. Die Aufgabe des Architekturwettbewerbs bestünde dann in der Verfeinerung und Konkretisierung des zuvor skizzierten Stils. Dabei ginge es darum innerhalb der städtebaulich gesetzten Regeln eine Vielfalt an Gestaltungen zu entwickeln, welche in ihrer Summe eine Einheit bilden. Die Stadt bestünde dann nicht aus einzelnen Werken, sondern könnte wieder als Gesamtwerk verstanden werden. (Weiter bei…)