Kernstadt-Platz, Voreilige Kritik und Atmosphäre

Kernstadt-Platz, Voreilige Kritik und Atmosphäre

Ein grosser Teil der Kritik an der Europaallee dreht sich um die Ausgestaltung des städtischen Aussenraumes. Nicht alles an ihr hat Hand und Fuss.

(…vorher) Noch bevor der Aussenraum komplett erstellt worden ist, dreht sich ein grosser Teil der Schelte um dessen Wirkung. Die erste Baumreihe steht erst seit Kurzem und eine zweite soll noch kommen. Damit werden Themen um fehlende Vordächer, Arkaden und die Verschattung der Schaufenster hinfällig, ganz einfach, weil sie noch nicht beurteilt werden können. Gleiches gilt für Fragen der Ladenbeschilderung und der Belebung des Platzes im Allgemeinen. Solche zusätzlichen Elemente sind, wenn es ihrer bedarf, schnell installiert.

Auch die Kritik an der asphaltierten Platzfläche greift zu kurz. Sicher wäre eine höhere Qualität des Bodenbelags begrüssenswert gewesen. Niemand hat etwas gegen eine schöne Pflästerung oder einen Natursteinboden à la Sechseläutenplatz. Allerdings gibt es auch genügend Beispiele von gelungenen Fussgängerzonen in der Stadt, bei denen niemand von einer missglückten Aussenraumgestaltung spricht. Die Bahnhofsstrasse zum Beispiel, als das Schmuckstück von Zürichs Strassenzügen, ist ebenso asphaltiert. Es ist gut vorstellbar, dass es bei der Erstellung dieses Belages ähnliche Diskussionen über dessen Materialisierung gab. Heute aber, hat man sich daran gewöhnt und wer zum ersten Mal die Bahnhofstrasse hinunter flaniert, wird sich in den wenigsten Fällen über den Asphalt brüskieren.

Viel entscheidender als nur die reine Wertigkeit des Belages ist der gestalterische Ausdruck, den der Belag zusammen mit der Architektur erzeugt. An der Bahnhofsstrasse rechtfertigt sich der Asphalt durch die tatsächliche Strassenfunktion. Die Trottoirbereiche nehmen anteilsmässig nicht so viel Platz ein, als dass ihre Qualität mit einem hochwertigeren Belag aufgebesserte werde müsste. Die Tramkanten aus Naturstein, die Schlitzrinnen und die Einbettung der Bäume heben den profanen Belag aus der grauen Normalität, ohne ihn zu einer gestalterischen Hauptfigur hoch zu stilisieren. An der Bahnhofsstrasse sind es die reichhaltig gestalteten Fassaden und die hochnäsigen Schaufensterauslagen, welche die Atmosphäre prägen. Der Boden bleibt im Hintergrund.

Die Rolle, welcher der Belag an der Europaallee spielt, lässt sich irgendwo zwischen Sechseläutenplatz und Bahnhofsstrasse verorten. Zum einen ist der Bewegungsraum nur den Fussgängern vorbehalten, ohne von Tramlinien durchschnitten zu werden. Zum anderen sind die platzähnlichen Ausweitungen der des Strassenraumes auch nicht so ausgedehnt, wie dies vor der Oper der Fall ist. Im Gegensatz zu der wenig begrenzten Platzfläche am Bellevue ist der Strassenraum an der Sihlpost eben durch dominante Gebäude gefasst und ist daher nicht gezwungen als Fläche selbst eine innere Kraft zu entwickeln. Ähnlich wie an der Bahnhofsstrasse sind es auch hier die Fassaden mit ihrer hohen Qualität, die den Ort bestimmen. Die Kritik am Aussenraum ist entweder verfrüht oder auf Qualitäten bedacht, die es so gar nicht unbedingt braucht. (Weiter bei…)