Gestaltungsbeiräte
Ästhetikfremde Bauherrschaften zusammen mit unfähigen Architekten produzieren schlechte Architektur am laufenden Band. Als einziges Mittel gegen diese Miesere setzen die Gemeinden Gestaltungskommissionen ein – die Kämpfer für den guten Geschmack.
(…vorher) Dort wo die Gestaltungskommissionen Einfluss nehmen können, haben sie eine grosse Entscheidungsgewalt. Befinden die Mitglieder einen architektonischen Lösungsvorschlag als unzureichend, können sie tiefgreifende Änderungen vorschreiben und im Extremfall Projekte ganz verhindern und stattdessen die Abhaltung von Architekturwettbewerben einfordern.
Für die allermeisten Bauprojekte besteht diese Bestimmungshoheit jedoch nicht. Denn nur für jene Projekte, für die die Bau- und Zonenordnung eine «besonders gute» gestalterische Qualität vorschreibt, wie zum Beispiel bei Arealüberbauungen, kann die Kommission wesentlich eingreifen. Überall sonst vermindert sich ihr Einfluss auf Empfehlungen. Auf die Masse der Bauten betrachtet, ist die Auswirkung der Gestaltungskommission gering. Ob der Qualitätszuwachs auf wenigen Grundstücken die Qualität der Stadt als solches positiv zu beeinflussen vermag, kann hinterfragt werden.
Aber noch unter einem anderen Gesichtspunkt können Gestaltungskommissionen kritisch gesehen werden: Die Mietglieder solcher Gremien urteilen auf der Basis ihrer Erfahrung und ihres Geschmacks. Daraus ergeben sich unweigerlich subjektive Entscheide. Diese Subjektivität wird zusätzlich von der persönlichen Tagesform, der momentanen Laune und dem Stresslevel beeinflusst. Die Entscheide einer solchen Kommission können daher nur eine geringe Konstanz aufweisen. Konstante Entscheide und damit eine verlässliche Grundlage für die Planung sind aber entscheidend für die Arbeit der Planer und die Rechtssicherheit für die Eigentürmer. Aus deren Sicht entsteht schnell einmal der Eindruck von willkürlichen Beschlüssen.
Dies liegt aber nicht per se an einem Fehlverhalten der Kommissionsmitglieder. Vielmehr ist es der Prozess selbst, wie solche Entscheide entstehen, welcher zu einer gewissen Unvorhersehbarkeit führt. Wer Subjekte befragt, der soll sich nicht wundern, wenn er subjektive Antworten erhält.
Für die Stadt ist dieses System verheerend. Ihre gestalterische Qualität ist von persönlichen Entscheiden abhängt, die gerade so gut gegenteilig hätten ausfallen können. Ein übergeordneter, langfristiger Zusammenhang zwischen den Entscheiden ist nicht gegeben. Was heute gilt, kann übermorgen schon falsch sein.
Gestaltungskommissionen sind kein Heilmittel für die krankende Qualität der Stadt. Sie sind Notbehelfe, Pflaster, welche die Misere mehr zu überdecken versuchen, als sie zu beheben. Dem gegenüber können verbindliche Pläne und Leitlinien Rechtssicherheit und langfristige Qualität bringen, ohne sich in der Subjektivität persönlicher Haltungen verstricken zu müssen. (Weiter bei…)