Lebendigkeit

Lebendigkeit

Architektur, gerade dann, wenn sie gut gestaltet ist, läuft Gefahr zu perfekt zu wirken. Allzu oft ist es der Anspruch des Gestalters, sein abstraktes Konzept eins zu eins in die Realität umzusetzen. Unklarheiten sind dabei unerwünscht. Was aber wäre, wenn das Unreine zum Konzept dazugehörte?

(… vorher) Durchgängigkeit und innere Schlüssigkeit sind die prägenden Massstäbe nach denen heute Architektur beurteilt wird. Störungen dieser Ordnungskriterien können zu einer erschwerten Lesbarkeit des Konzeptes führen. Es ist daher verständlich, dass Gestalter versuchen jegliche Unstimmigkeiten zu beseitigen um es sich später nicht vorwerfen lassen zu müssen, sie hätten ihr Werk nicht im Griff gehabt, und demnach also schlechte Architektur zu verantworten.

Das Verhindern von Schrägem und Unpassendem mag zwar hinsichtlich einer eindeutigen Lesart des Werkes hilfreich sein, Dafür handelt man sich aber andere Schwierigkeiten ein. Mit der Suche nach absoluter Klarheit läuft man Gefahr, ein zu reines Resultat zu erzeugen, das starr und steril wirkt.

Das Gegenteil einer solchen Erscheinung könnte man mit lebendiger Architektur umschreiben. In diesem Zusammenhang meint Lebendigkeit eine Gestalt, welche unsere Erfahrung wiederspiegelt, dass das Leben keine makellosen Ordnungen hervorbringt, sondern stets auch von Brüchen und Ungereimtheiten durchdrungen ist.

Eine Möglichkeit der Architektur das Sterile auszutreiben ist es die geometrische Ordnung mit natürlichen Materialien anzureichern. Holzmaserungen oder Steinstrukturen wirken aber nur innerhalb einer gewissen Distanz. Darüber hinaus sind es wiederum die abstrakten Eigenschaften wie Form und Farbe, welche die Erscheinung der Bauwerke prägen.

Gerade hier setzt der Gebrauch von formalen Holperstellen und kleinen Brüchen an. Sie stören die Lesbarkeit der übergeordneten Struktur nicht, können aber zu einer angenehmen Auflockerung oder einem interessanten Kontrapunkt führen. Eine Architektur mit solchen bewusst eingeflochtenen Ungereimtheiten hat etwas Unverkrampftes, vielleicht sogar etwas Schalkhaftes. Sie nimmt sich nur bis zu einem gewissen Grad ernst und zeigt damit, dass sie sich nicht so schnell aus dem Konzept bringen lässt. In diesem Sinne ist die Unreine Architektur auch die gelassene Architektur.