realities:united, Pixelästhetik als Ausweg?
Bilder und Atmosphären führen uns in eine interessante gestalterische Welt, aber sie führen auch weg von der Architektur. Hingegen kann, wie wir es an der Harpa beobachten konnten, das bewegte Licht durchaus ein Teil der Architektur sein. Die Struktur der Fassade und die einzelnen Leuchten bilden dort eine Einheit. Was ist also, wenn wir die Lichtpunkte nicht als anonyme Pixel denken, sondern diese selbst formal in die Gestaltung einbinden?
(… vorher) Beim Kunsthaus Graz liegen Architektur und Monitor nahe beieinander. Das organisch geformte Volumen ist mit plastisch verformten, durchscheinenden Kunststoffpanelen bestückt. Unter dieser Haut sind ringförmige Fluoreszenzleuchten angebracht. Über die ganze Gebäudefront verteilt, bilden sie einen überdimensionalen Fassadenmonitor. So wird es möglich Bildsequenzen darzustellen und damit die Fassade zur Anzeigefläche von Kunstproduktionen werden zu lassen.
Das Interessante am Grazer Kunsthaus ist nun, dass sowohl die Gebäudeform, als auch die Ausbildung des Monitors zur Wirkung der Fassade beitragen: Die Leuchten zeichnen die Wölbung des Gebäudekörpers nach und verstärken dessen Wirkung. Zudem sind die Pixel des Monitors selbst grafische Elemente. Ihre Ringform lässt sie nicht einfach hinter die dargestellten Bilder zurücktreten. Jeder Pixel hat durch seine Grösse und Form sein eigenes erkennbares Dasein. Diese eigenständige Existenz haben die Ringe den Lichtpunkten der LED-Schirmen am Times-Square voraus. Ob sie nun aktiv sind oder nicht, ob sie Bilder transportieren oder ausgeschaltet sind, ihre grafische Aussage verlieren sie nicht.
Damit werden die Pixel zu einem Teil der Architektur und zu einem Teil des Monitors. Die physische Komponente der Anzeige, also das Monitorgerät selbst, wird formal tatsächlich in die Gebäudeerscheinung eingebunden.
Diese Strategie haben die Autoren in verschiedenen Projekten zur Anwendung gebracht. Realities:united kreierte unter anderem am Gebäudekomplex „Iluma“ in Singapur eine Oberfläche aus kristallförmigen Element. Verschiedene polygonale Lichtkörper sind dabei zu einem sternartigen Muster zusammengefügt. Die einzelnen Teile bestehen dabei aus mehreren Punktleuchten in Mitten von Aluminiumreflektoren welche von einer durchsichtigen Kunststoffabdeckung vor der Witterung geschützt werden.
Aus dieser Anordnung ergeben sich Gestaltungsmöglichkeiten auf den unterschiedlichsten Ebenen: erstens ist da die plastische Ausbildung der Elemente und die Komposition verschiedener Elemente zu einem Muster, zweitens sind es die Spiegelungseffekte der Reflektoren bei Tag, und drittens die bewegte Beleuchtung in der Nacht.
Die beiden Projekte sind insofern vergleichbar, als dass die Pixel in beiden Fällen als formale Elemente ausgestalten sind. Unterschieden lassen sie sich durch den Grad der Einbindung in die Architektur. Während in Graz die Ringe unter die Haut des Baukörpers implantiert worden sind und die Lesbarkeit der Bauform unterstützen, bilden die Kristalle in Singapur die eigentliche Gebäudeoberfläche. Hier gibt es nicht viel Architektonisches, woran sich die Monitorpixel orientieren könnten. Die Lichtelemente wirken daher auch etwas aufgesetzt und weniger mit der dahinter liegenden Struktur verbunden, als in Graz.
Hier deutet sich die Spannweite der Möglichkeiten an, wie sich Formal gestaltete Bildpunkte in die Architektur integrieren können. Auf der einen Seite steht die enge Symbiose, wo sich beide Seiten gegenseitig stützen oder gar bedingen. Auf der anderen Seite steht das eigenständige Gestaltungselement, das seinen inneren Regeln folgt. Beide Ausrichtungen können als architektonisch verstanden werden, beides sind Wege um Kunstlicht und Architektur zusammen zu bringen. (Weiter bei…)