Lacaton und Vassal, hypothetische Erzählung

Lacaton und Vassal, hypothetische Erzählung

Die Architekturschule in Nantes erzählt von einer prosperierenden industriellen Vergangenheit. Mann glaubt dem brachialen Betonbau die Spuren Jahrzehnte langer Arbeit ablesen zu können. Dabei gibt es nur ein Problem, die Geschichte von der da berichtet wird, hat es an diesem Ort nie gegeben.

(…vorher) Von der Rampe und der rohen Erscheinung der Schule in Nantes haben wir in den beiden vorangegangenen Texten schon gesprochen. Beide architektonischen Vorgehensweisen kommen am Schulgebäude an einer Stelle sehr eindrücklich zusammen und können als Sinnbild für die ganze architektonische Absicht verstanden werden.

Es ist die Kollision der Rampe mit dem darunter liegenden Volumen. Dieses ist nämlich, nicht wie erwartet an die schräge der Rampe angepasst, sondern bleiben rechtwinklig. Dadurch ergibt sich ein dreieckiger Restraum zwischen der Rampenuntersicht und dem Flachdachabschluss der Gebäudehülle.

Dies ist deshalb erwähnenswert, weil es nicht üblich ist ein Detail so zu lösen. Rampen werden, wo immer sie gerechtfertigt werden können, gänzlich in die Architektur integriert. Die Verglasung wird möglichst übergangslos an die schrägen Betonstirne gestossen und bilden so eine Einheit. Die Diagonale dynamisieren das Gebäudevolumen und ist stets ein Teil davon. Oma, MVRDV, Hadid und Konsorten haben hierfür schon in den 90-ern ein paar eindrückliche Beispiele geliefert.

Lacaton und Vassal hingegen lösen die Rampe vom eigentlichen Gebäudevolumen ab. Für sie ist die Schräge ein Teil der Tragstruktur, in welche das Gebäude erst eingebaut werden muss. Der Akt des Einbauens ist damit eine Art nachträgliche Bastelei. So wirkt die Architektur sehr pragmatisch, wenn wir dem Pragmatischen das notwendige aber nicht das Schöne zuschreiben.

Dieser Eindruck täuscht aber sehr, denn wie schon angedeutet, ist der Konflikt zwischen Tragstruktur und Gebäudevolumen von den Architekten konstruiert worden. Da sowohl der Rohbau, als auch die leichten Fassadenabschlüsse gleichzeitig geplant wurden, hätte diese Bastelei auch leicht umgangen werden können.

Das dies nicht geschieht ist ein klarer Hinweis darauf, dass das Autorenpaar das Bild des gebastelten am Herzen liegt. Es scheint ein Interesse an der Kollision und gestalterischen Grobheiten zu geben. Dies entspringt aber kaum einem tatsächlichen Pragmatismus sondern einer romantischen Sicht auf die industrielle Vergangenheit. Die Architektur von Lacaton und Vassal kann denn auch nicht als industriell bezeichnet werden, sondern lediglich als ästhetische Anlehnung. Sie erzählen gewissermassen vom Industriellen, in dem sie sich dessen Bildern bedienen. (Weiter bei…)