Lacaton und Vassal, Charme brut

Lacaton und Vassal, Charme brut

Lacaton und Vassal sind auch mit ihrer Sanierung des Palais de Tokyo bekannt geworden. Mit minimalen Eingriffen haben sie einen Rohbau nutzbar gemacht und von dessen Scharm profitieren können. Was aber geschieht, wenn dieser Charakteristische Bestand nicht da ist und man vor einem leeren Baufeld steht?

(…vorher) Die architektonische Strategie beim Palais de Tokyo funktioniert auf zwei Ebenen. Jene, von der die Architekten zur Hauptsache sprechen, ist die des gestalterischen Delegierens. Hierbei sollte die Substanz des Bestandes möglichst geringfügig verändert werden und somit ungestaltet bleiben. Den ästhetischen Teil übernehmen dann die Nutzer des Gebäudes. Lacaton und Vassal verstehen ihre Aufgabe also nicht als formgebend oder stimmungsbildend. Diese Aufgaben übertragen Sie den Künstlern, für die das Haus gedacht ist.

Neben dieser Dominanten Erzählung wirkt aber auch noch eine zweite Ebene in ihrem Entwurf, denn eine tatsächliche Gestaltlosigkeit gibt es nicht. Auch wenn die Autoren nur mit Reparaturen auf den Bestand reagierten, ist ja mindestens dieser mit seiner Form und Stimmung vorhanden. In dem die Architekten also alles so belassen wie es war, erzeugen sie zwar aktiv keine eigene Gestalt, aber sie erheben durch ihre Passivität den Bestand zur sehenswerten Architektur.

Ob nun die eine oder andere Lesart des Palais de Tokyo zum tragen kommt beeinflusst einzig die Art der Kunstintervention. Grosse raumbildende Installationen können die Architektur durchaus ausblenden, kleine Installationen hingegen vermögen dies aber nicht. Es ist daher anzunehmen, dass in vielen Fällen der Gebäudebestand eine wesentliche Rolle spielt. Ihre Vorgehensweise läuft also darauf hinaus, dass der Hauptcharakter des Gebäudes von den rohen Bauteilen des Bestandes transportiert wird.

Diesen Umgang mit dem Bestand versuchen Lacaton und Vassal im Fall der Architekturschule in Nantes auch auf einen Neubau anzuwenden. Wiederum sollen die Benutzer sich das Gebäude aneignen und es so mit gestalten. Allerdings können sie sich auf Grund des fehlenden Bestandes nicht so leicht aus der Affäre ziehen. Sie sind wohl oder übel dazu gezwungen, eine Gestalt zu kreieren. Mit einer möglichst rohen und einfachen Betonarchitektur versuchen die gleiche Ausgangslage zu schaffen, wie sie sie beim Palais de Tokyo vorgefunden haben. Es ist sozusagen ein hypothetischer Altbau, den sie erstellen. Auf diesen verlassen sie sich dann ebenso, wie sie das im Falle des Museum getan haben. Der Charakter des Neubaus bildet sich durch die gleichen Mechanismen heraus, wie jener des Altbaus: es ist der Scharm des Rohen den uns Lacaton und Vassal zeigen. (Weiter bei…)