Lacaton und Vassal, Die Rampe

Lacaton und Vassal, Die Rampe

Lacaton und Vassal schaffen es, mit einfachen industriellen Bauelementen eine architektonische Erzählung zu kreieren. Neben den Fensterläden ist die Rampe eines ihrer interessantesten Motive.

(…vorher) Die Architekturschule in Nantes ist im wesentlichen ein Betongerippe aus Stützen, Unterzügen und Deckenplatten. Die Fassaden sind wie gewohnt aus gewellten Polykarbonatplatten erstellt und verstärken noch den Fokus auf die dominante Betonarchitektur. Der Bau wirkt brutal und schroff.

Von Aussen betrachtet gleicht der Neubau einem alter Industriekomplex, der sich aus der Logik seiner inneren Produktionsabläufe gebildet hat. Die sieben Meter hohen Geschosse türmen sich zu einem unregelmässigen Gebilde auf. Das Ganze wirkt chaotisch konstruiert, als hätte sich die Form in vielen Ausbauschritten ergeben. Diese Wirkung liegt zur Hauptsache an der Rampe, die sich um das Gebäude herum, bis aufs Dach hinauf windet. Sie durchkreuzt gewissermassen die Regelmässigkeit der Senkrechten und Horizontalen und bildet unkontrollierte Verschneidungen und Überlappungen.

Die Rechtfertigung für diese Rampe liegt laut den Architekten in der Finanzierung und der Anknüpfung an den Strassenraum begründet. Das Garagenvolumen sollte zum einen aus Kostengründen nicht unterirdisch platziert werden. Zum anderen wollte man es aber auch nicht im Erdgeschoss anordnen, da die Schule sonst von der Strasse völlig entkoppelt worden wäre. Die Parkplätze wurde daher in ein Obergeschoss verlagert, wohin nun auch die Rampe führt. Vom Parkdeck bis zum Dach dient die Rampe als Fussgängerverbindung.

Neben dieser funktionalen Erklärung der Architekten gibt es aber starke Hinweise darauf, dass die Rampe auch als bewusstes, gestalterisches Element eingesetzt worden ist. Hätte man die Argumentation der Kosteneinsparung konsequent weiter geführt, so wäre die Rampe nur bis zum Parkdeck geführt worden. Zudem hätte man die Rampe Kreisförmig ausbilden können, um so einen Grossteil der Fassade von den Diagonalen zu befreien. Doch der Entscheid dagegen war bewusst. Die Rampe sollte an der Aussenseite des Baukörpers entlang geführt werden. Sie sollte brachial wirkende Verschneidungen von Fassaden und Betonstruktur erzeugen. Genau dies ist der gestalterische Reiz der Architektursprache von Lacaton und Vassal.

Die Architekten haben nicht versucht eine effiziente Rampe zu bauen, sondern waren an der Gestalt des Bauteils interessiert. Dieses unterstützt die architektonische Erzählung, eines alten Produktionskomplexes. Für Industrieromantiker muten die, unter der Rampe eingebastelten Räume, geradezu pittoresk an. Man hat das Gefühl die Autoren hätten lieber in einem alten Bestand gebaut und aus Mangel an einer solchen Substanz einfach selber einen erstellt. Aus diesem Blickwinkel erscheint das Werk von Lacaton und Vassal in weitaus grösserem Masse durch gestalterische Vorstellungen geprägt, als die Autoren dies zugeben würden. Die Rampe ist nicht als die einfachste Lösung zu verstehen, sondern als ein gestalterisches Mittel. Sie beschreibt nicht die direkteste Lösung, sondern erweckt nur den Anschein dies zu tun. (Weiter bei…)