Lacaton und Vassal, Maison Latapie

Lacaton und Vassal, Maison Latapie

Das Konzept des Maison Latapie könnte banaler nicht sein und ist dennoch die Verkörperung einer bahnbrechenden Architekturphilosophie. Es lohnt sich diesen Erstling etwas genauer zu betrachten.

(…vorher)  Das kleine Einfamilienhaus setzt sich aus zwei aneinandergestellten Volumen zusammen. Das eine ist das eigentliche Wohnhaus, das andere ist ein ebenso grosser Wintergarten.

Ersteres ist als normale, gedämmte Holzkonstruktion konzipiert und auf beiden Längsseiten mit grossen Fensterreihen ausgestattet. Dieser Holzkörper wiederum ist auf drei Seiten mit Welleternitplatten eingekleidet und schliesst auf der vierten Seite an den Wintergarten an. Die Ausgestaltung der Eternitschicht ist dabei das augenfälligste Element des Wohnteils. Die Faserzementplatten werden im Verbund mit ihrer Stahlunterkonstruktion zu grossformatigen Klappläden. Die Fensterfassade lässt sich damit praktisch komplett öffnen aber auch vollständig verdecken.

Der zweite Teil des Hauses, der Wintergarten, besteht aus einer einfachen Stahlkonstruktion und einer Verkleidung aus Polykarbonatplatten. Erdgeschossig tauchen auch hier die grossformatigen Klappläden auf, ansonsten ist der Bau aber auf das konstruktiv notwendige reduziert. Das Besondere an diesem Wintergarten ist einzig seine Grösse. Er ist die exakte Verdoppelung des Wohnteilvolumens.

So weit so einfach. Bis auf die Klappläden kann beim Maison Latapie nicht von einer aktiven Gestaltung gesprochen werden. Der Geist, welcher das Haus verströmt, ist schwergewichtig durch das Bestreben der Kosteneinsparungen geprägt. Die einfache, um nicht zu sagen billige Ausführung des Baukörpers ist unübersehbar. Man denkt hier intuitiv an eine Baracke und nicht an ein solides Haus. Was also macht dieses Gebäude so interessant, dass es eine so breites Interesse wecken konnte?

Es ist der ideologische Zugang zum Thema Wohnen, der die Arbeit von Lacaton und Vassal ausmacht. Sie selbst verstehen sich nicht als Gestalter von Körpern, Oberflächen und Formen, sondern von Aneignungsmöglichkeiten. Den Bewohnern sollen Räume geboten werden, welche nicht auf einen bestimmten Zweck programmiert sind. Die neutralen Volumen sollen durch die Nutzer selbst in Beschlag genommen und definiert werden. Das wichtigste Mittel zur Erzeugung dieses Effektes ist die Grosszügigkeit, die sie ihren Projekten angedeihen lassen. Der Wintergarten ist nicht wie bei vielen anderen Bauten ein kleiner Anhängsel, vielmehr wird hier das Volumen des Hauses verdoppelt. Was aus dieser Grosszügigkeit entsteht liegt dann nicht mehr in den Händen der Architekten. Im Fall des Hauses Latapie hat dies auch für die Lacaton und Vassal zu einem erstaunlichen Resultat geführt. Statt dort ein Gewächshaus einzurichten, nutzen die Bewohner den zusätzlichen Raum als Erweiterung des Wohnraumes. Dieses Beispiel zeigt es in aller Deutlichkeit, das tatsächlich bahnbrechende an Lacaton und Vassals Vorgehen ist nicht ihre eigene Arbeit, sondern ihr Wille die Autorenschaft für ihre Architektur an die Bewohner weiter zu reicht. Es ist die Fähigkeit seinen Einfluss zu beschränken und zu beobachten was dann geschieht. (Weiter bei…)