Lacaton und Vassal, Gestalt über Board
Lacaton und Vassal haben einen ganz eigenen Zugang zur Architektur. Die Erscheinung ihrer Bauten bewegt sich zwischen dem Ausdruck von Provisorien und einfachen Nutzbauten. Dennoch haben sie etwas besonderes an oder in sich, das der Klärung bedarf.
(…vorher) In einem grösseren Kreis bekannt geworden, sind die beiden Architekten in den 90-ern. Schon ihr erstes Haus, das Maison Latapie in Floirac wurde angeregt diskutiert. Dieses kleine Wohnvolumen zeichnet sich durch einen ebenso grossen, mit Polykarbonatplatten verleideten Wintergarten aus. Seither sind sie mit verschiedenen Ideen und Konzepten in Verbindung gebracht worden. Dazu gehört der Einsatz von günstigen, industriellen Bausystemen; ihr Bestreben bei gleichem Budget die Nutzflächen zu verdoppeln; ihr entwerferisches Vorgehen ohne formale Absicht; und ihre Suche nach neutralen Räumen, welche sich die Bewohner selber aneignen können.
Damit stehen Sie ziemlich quer in der Architekturlandschaft, begründet sich doch der Ruhm der Stars gerade in der Extravaganz formaler Objekte und neuartigen Oberflächen. Lacaton und Vassal sind, wenn man so will, die Gegenthese zu BIG, welche die symbolhafte Form perfektioniert haben. Es werden keine Symbole und Zeichen gebaut, sondern einfache Hüllen. Sie reduzieren ihren gestalterischen Einfluss auf das Notwendigste und lassen lieber die Logik industrieller Bausysteme für sich sprechen. Bisweilen verweigern Sie das Bauen sogar ganz. Im Falle einer Parkgestaltung haben sie beispielsweise vorgeschlagen alles wie vorgefunden zu belassen und das Baubudget für Unterhalt und Reinigung aufzuwenden.
Diese andersartige Herangehensweise an die Architektur, rührt von ihrer ideologischen Ausrichtung her. Sie stellen den Nutzen für den Bewohner in den Vordergrund. Diesen Nutzen sehen sie aber nicht in der Kreation möglichst schöner Räume, sondern in der Maximierung der Volumen selbst. Die Rolle der Architekten ist nach Lacaton und Vassal nicht die des Gestalters. Vielmehr sind sie daran interessiert Möglichkeiten zu schaffen, mit denen sich die Bewohner selbst auseinandersetzen können. Sie steuern weder die innere noch die äussere Gestalt, sonder sorgen dafür, dass die Bewohner sich die Räume nach ihren Bedürfnissen aneignen können.
Dass diese frische Denkweise das Interesse einer Architektenschaft weckt, die zu immer waghalsigeren Formexperimenten angestachelten wird, ist nicht erstaunlich. Die Leichtigkeit, mit der das Duo alle gestalterischen Zwänge über Bord wirft, beeindruckt. Die schlichten Konstruktionen beruhigen das formal überreizte Gestalterherz.
Es macht also Sinn, dem Architekturverständnis von Lacaton und Vassal auf den Grund zu gehen. Ob man sich nun berufen fühlt ebenso formlos zu arbeiten, oder ob man den Willen zur Form hinterfragen möchte, um ihn bewusster steuern zu können, der Ansatz der Franzosen bietet Diskussionsstoff für beide Ziele. (Weiter bei…)