Teil 4, Auswirkungen auf den Diskurs
Von Giedions bis Riley haben wir alle möglichen Auslegeformen der Transparenz und Transluzenz erörtert. Dabei ist es uns gelungen eine Vielzahl an Ungereimtheiten aufzudecken. Doch was bedeutet dies nun für den Diskurs um die Begriffe der Durchsicht und des Durchscheinens?
(vorher…) Zunächst einmal zeigt sich, wie ungenau die Thesen der meisten, in dieser Reihe vorgestellten, Theoretiker gestrickt sind. Es ist zu vermuten, dass die ideologische Rechtfertigung von Architekturströmungen zu diesen unpräzisen Argumentationen geführt hat. Damit geraten die Ideologien selbst in Schieflage, weil ihnen Ihre Argumente weg brechen. Allerdings sind die meisten dieser Ideen schon länger aus der Mode geraten und finden lediglich noch in den Geschichtsbüchern ihren Platz. Oder aber sie haben sich derart weiter entwickelt, dass ihr ursprünglicher Fanatismus nicht mehr spürbar ist. So sind die meisten Forderungen der Moderne heute verwirklicht, auch ohne dass sich die Bauten der modernen Ästhetik unterordnen.
Der bunte Strauss an architektonischen Gestaltungsmitteln, der unter dem Begriff der Transparenz zusammengestellt wurde, zeigt es deutlich: Die Einheit wurde den Gestaltungsformen aufgedrängt. Bei genauerem Hinschauen wollen die einzelnen Blumen nicht recht zusammen passen: Das Sehen in Bewegung ist nicht mit der Durchsicht zu vergleichen, die nur leichte perspektivische Verschiebungen benötigt, Die Räumlichkeit der Trasnparenz kann nicht mit der Mehrfachlesbarkeit von zweidimensionalen Bildkompositionen verglichen werden, die Schleierwirkung lässt sich nicht einzig mit der Transluzenz zusammen bringen usw.
Ohne die verklärende, ideologische Brille, haben wir es also nicht mit einem Komplex von zusammengehörenden Begriffen zu tun, sondern mit einem Haufen Einzelbezeichnungen. Diese lassen sich zu folgenden Kategorien zusammenfassen:
– Die optisch-räumliche Materialeigenschaften (Materialtransparenz, Materialtransluzenz, Trübung, Tönung Teilspiegelung und deren Mischformen)
– Die optisch-zweidimensionalen Formen der Mehrdeutigkeit und Mehrfachlesbarkeit (kubistisches Ineinanderkopieren von Formen, Mehrdeutigkeit durch gleiche Begrenzungslinien z.B. Ozenfants Akkoorden, oder Fassadengrafik San Lorenzo)
– Die optischen Raumbegrenzungen (Mehrfachlesbarkeiten von Raumbereichen nach Hoesli)
– Die zweidimensional betrachtetet räumliche Ebenenschichtung (Komposition von Wandscheiben von einem fixen, frontalen Standpunkt aus)
– architektonischen Fassadengestaltung (Schleier, durchsichtige Fassaden)
– Bewegliche Raumbegrenzungen (Schiebewände nach Loebermann)
Die Folge dieser Aufteilung und Kategorisierung der Begriffe auf den Diskurs, ist die Auflösung einer ideologisch begründeten Zusammenfassung unterschiedlicher Begriffe. Dies führt zur Möglichkeit die einzelnen Effekte und Gestaltungsformen als das zu sehen was sie sind, architektonische Werkzeuge und keine Auswüchse einer wie auch immer gearteten Weltanschauung. Damit steht der Weg offen, all diese Werkzeuge, frei von ideologischen Barrieren, einzusetzen und zu kombinieren. (Weiter bei…)