Teil 3, Transluzenz

Teil 3, Transluzenz

Bei verschiedenen Autoren aus jüngerer Zeit erscheint Transparenz in einem ganz anderen Licht als in der Beschreibung der bisher besprochenen Theoretiker. Sie entspringen dem architektonischen Schaffen Mitte der Neunzehnneunzigerjahre und beziehen sich auf eine gänzlich unterschiedliche philosophische Basis.

(…vorher) Die modernen Forderungen nach Licht, Luft und Hygiene hatten sich längst erfüllt und die Suche nach Reinheit und Klarheit wurden von der Philosophie ad absurdum geführt. Die Architekturtheorie des zu Ende gehenden Jahrtausends versuchte den postmodernen Positionen zu folgen. Nun waren Begriffe wie Ambivalenz und Mehrdeutigkeit angesagt was der Transluzenz Vorzug vor der Transparenz gab. Doch nicht nur philosophische Gründe lagen dem Willen nach komplexen bis geheimnisvollen Gebäuden zugrunde. Effektvolle Oberflächen wurden zum Hauptwerkzeug der Corporate Identity grosser Konzerne. Im Wettbewerb um eine immer ausgefeiltere Wirkung ist die Transluzenz bis heute eine mögliche Strategie geblieben. Die Debatte über den Begriff der Transluzenz zeichnet sich aber durch unpräzise Einordnungen aus. In den meisten Fällen wird sie als eine Untergattung der Transparenz verstanden.

Matthias Loebermann zum Beispiel, spricht in seinem Aufsatz Transparenz heute (1) zwar über die Ähnlichkeit der beiden Begriffe. Um eine Analyse der Unterschiede kümmert er sich jedoch nicht, und so entsteht ein Milieu, in dem Transluzenz als eine Art Nebeneigenschaft der Transparenz gilt. Auch Riley, der in seiner Ausstellung (2) das Bestreben der Architekten um 1995 nachzeichnet und in deren Charakterisierung explizit die mehrdeutige Schleierwirkung herausstreicht, liefert keine neuen Ideen zum Konzept der Transluzenz.

Am weitesten gehen die Überlegungen Antony Vidlers, der unter dem Motto der Transluzenz einer neuen Begrifflichkeit zustrebt. In seinem Buch un- Heimlich (3) zeigt er anhand von Wettbewerbsbeiträgen die Differenz in der Haltung Dominique Perrault’s und Rem Koolhaas’ zur Transparenz. Die Projekte zur Nationalbibliothek Frankreichs könnten in der Interpretation Vidlers unterschiedlicher nicht sein, obwohl sie in der tatsächlich ausgeführten

Wirkung wohl nicht derart von einander abgewichen wären. So kämpfte Perrault in der Umsetzung seines offen und transparent wirkenden Baus, mit den Unwegsamkeiten realer Fassadenanforderungen und kam wohl aus Gründen des Sonnenschutzes von einer klaren Durchsicht ab. Koolhaas hingegen arbeitet mit der transluziden Wirkung der Baustoffe (die auch dem Glas eigen sind) und kreierte, so Vidler, ein neuartiges Raumverständnis, das von der Körperhaftigkeit, der Raumerfüllung des Transluzenten ausgeht.

In Verbindung mit der Streuung verweisen durchlässige Stoffe nicht mehr auf ein gegenstandsloses Raumkontinuum, welches Giedion postulierte, sondern auf das massenreiche, gegenständliche des Raumes selbst. Raum gilt hier also als gefülltes Volumen. (Weiter bei…)

(1) Loebermann Matthias, Operative Transparenz, in Arch+ 129/130, 1995, S. 102

(2) Riley Terence, Light Construction Ausstellungskatalog MoMa, erschienen in: The Light Construction Reader, Gannon Todd (hrsg.), New York: Monacelli Press, 2002

(3) Viedler Antony, unHeimlich, über das Unbehagen in der modernen Architektur, Edition Nautilus, Lukas + Sternberg Verlag, 2001