Teil 2, Der untiefe Raum
Der Begriff des „untiefen Raumes“ steht am treffendsten für Rowe und Slutzkys Theoriekonstrukt und deutet zugleich dessen wesentlichste Mängel an.
(…vorher) Einen Grossteil ihrer Arbeit verwenden die beiden Autoren darauf eine möglichst direkte Übertragung künstlerischer Verfahren auf die Architektur zu leisten. Diese Ableitung von der bildenden Kunst auf die Architektur ist Programm und letzten Endes Teil ihrer Legitimationsstrategie, der von ihnen bevorzugten modernen Bauten.
Dass sich im Wechsel vom zweidimensionalen Medium der Leinwand, zum dreidimensionalen Medium des Raumes keine qualitativen Unterschiede ergeben dürfen, ist der Angst zuzurechnen, der Zusammenhang zwischen den beiden Kulturformen könnte sich verunklären. Die Lösung die uns Rowe und Slutzky gegen diese Befürchtung anbieten ist es, den Raum als Fläche zu behandeln. Dass damit aber gerade das Wesen des Raumes, nämlich die Tiefe verloren geht, scheint sie nicht zu stören. Das Oxymoron „untiefer Raum“ muss ihnen als unabdingbar für die Fundierung ihrer These gegolten haben. Nur so ist ihre Bereitschaft zu erklären, dessen inneren Widerspruch zu vernachlässigen.
„Transparenz im übertragenen Sinne“ wird für die Architektur aber gerade da interessant, wo sie über die Fläche hinausgeht. Die Problematik in der stark auf zweidimensionale Effekte fokussierten Argumentationsweise liegt darin, dass auch in der Architektur das Hauptinteresse auf die Fläche gerichtet wird. Während Letztere auf der Leinwand selbst als Gegenstand fungiert, ist sie für die Architektur „nur“ die Begrenzungen des Raumes.
Wollten wir die Phänomene der Transparenz in den architektonischen Flächen wieder finden, so müssten Wände, Decken und Böden dieselben Zweideutigkeiten zu vermitteln im Stande sein, wie dies in den kubistischen Kompositionen geschieht. Dies kann aber nur schwerlich erreicht werden. Eine Wandscheibe bleibt stets als Wand erkennbar und erscheint uns nicht plötzlich als Fussboden. Die Bauelemente sind durch Tradition und Funktion klar konnotiert. Sie zu abstrahieren fällt weitaus schwerer, als dies in der Bildfläche der Fall ist. Die Perspektive schränkt die optischen Täuschungseffekte die in Richtung Transparenz weisen oft ein. Auch wenn die Bauelemente von ihrer herkömmlichen Erscheinungsweise weitgehend entfremdet worden sind, gibt uns die Tiefe des Raums klaren Aufschluss über ihre Position. Ein Effekt von Mehrdeutigkeit, der innerhalb einer nahezu flächigen Fassade noch möglich scheint, ist für eine Komposition von Flächen im Raum nicht zu erwarten.
Dies bedeutet nun aber nicht, dass Transparenz im Raum unmöglicht ist. Es zeigt lediglich auf, dass der Fokus auf die Fläche nicht zum Ziel führt. Bernhard Hoesli weist hier in eine vielversprechende Richtung indem er den Raum selbst zum Gegenstand transparenter Wirkung macht. Dort sind es nicht materielle Oberflächen welche nicht klar zuordenbar sind, sondern die Raumvolumen die durch Oberflächen ausgeschieden werden. (Weiter bei…)