Teil 2, Sehen in Beziehungen

Teil 2, Sehen in Beziehungen

Diese Gesamtwirkung ist nicht der einzige Effekt der bewegten Wahrnehmung. Ebenso wichtig ist die Beziehung der einzelnen Teile untereinander. Moholy-Nagy schreibt dazu:

(…vorher) „The abstract artists, the neoplasticists, suprematists, and constructivists discovered that in the efforts of the cubists not so much the representation of objects and the description of their motion was the most important feature but the visual force and emotional wealth of relationships, the constructive potential of the visual fundamentals. This development of the visual arts from fixed perspectives to “Vision in motion” is vision in relationship. The fixed viewpoint, the isolated handling of problems as a norm is rejected and replaced by a flexible approach, by seeing matters in a constantly changing moving field of mutual relationships.” (16)

Moholy-Nagy streicht hier ganz klar die Veränderbarkeit der Beziehungen heraus. Dies ist eine einfache Konsequenz aus der Bewegung an sich. Denn wenn die eine Bewegung verschiedene Punkte miteinander verbindet, so verändert sich die Lesart mit einem anderen Bewegungsablauf notgedrungen. Die Teile treten in einer anderen Reihenfolge auf, was auch ihre Abhängigkeit untereinander verändert. Auch Kepes ist sich der Folge dieser relativen Sichtweise bewusst und versucht daraus ein Prinzip der bildnerischen Gestaltung abzuleiten:

„Auge und Geist verlangen nach wechselnden visuellen Beziehungen. Nur die sich ändernde Vielfalt führt dazu, dass die Aufmerksamkeit auf die Bildoberfläche gerichtet bleibt. Veränderung bedeutet Bewegung. Deshalb muss das bildnerische Werk auch in der zeitlichen Dimension gegliedert werden.“ (17)

Es scheint also zwischen Kepes und Moholy-Nagy bezüglich der bewegten Wahrnehmung und ihren Auswirkungen Einigkeit zu herrschen. Die Beziehungen der Einzelteile untereinander verändern sich mit ihren unterschiedlichen Lesearten. (Weiter bei…)

(16) Moholy-Nagy Lásló, Vision in Motion, Chicago: Paul Theobald and Company, 1956, S. 113

(17) Kepes György, Sprache des Sehens, Mainz: Kupferberg, 1970, S. 42