Zellenprinzip
Die Zellenstruktur ist wesentlich für die mittelalterliche Stadt. Durch die Jahrhunderte hat sie sich als sehr anpassungsfähig erwiesen. Sie ist die Grundlage für die Stadtform, welcher heute eine hohe ästhetische Qualität bescheinigt wird. Doch macht eine feingliedrige Parzellierung in Zeiten grosser Raumprogramme noch Sinn?
(… vorher) Die letzten Jahrzehnte haben eine Vielzahl an neuen Nutzungen hervorgebracht, welche sich nicht in kleinteiligen Parzellen unterbringen lassen. Aber ist dies schon Grund genug zellenartigen Stadtstrukturen eine Absage zu erteilen? Oder anders formuliert: Welche Vorteile hat eine zellenartige Siedlungsstruktur?
Zunächst einmal ist die Anpassungsfähigkeit eine Folge der Autonomie der einzelnen Zellen. Jeder einzelne Grund- oder Baurechtseigentümer, und dass ist im Falle der mittelalterlichen Stadt für jede Parzelle ein anderer, kann auf seinem Land tun was er für richtig hält. Die Zellenstruktur bietet in diesem Sinne eine sehr grosse Freiheit.
Trotz dieser Freiheiten entsteht eine Einheit. Dies mag an der Nähe der Bauten liegen, aus welcher der Drang zur Anpassung erwachsen ist. So ist der heutige, verdichtete Zustand der Kernstädte das Resultat von langen Prozessen, indem jede Parzelle für sich weiter entwickelt wurde. Schritt für Schritt überbaute man die Grundstücke immer dichter. Dabei wurde aus Gründen der Optimierung auf die nachbarschaftlichen Verhältnisse Bezug genommen.
Die Einheit ist aber auch von diversen Einschränkungen abhängig: So gab es auch bei der Entstehung der Städte Bauregeln. Strassenlinien durften nicht überschritten und brandschutztechnische Massnahmen mussten eingehalten werden. Hinzu kam eine einheitliche Bauweise. Zum einen waren die konstruktiven Möglichkeiten aufgrund der Materialien und des statischen Wissens eingeschränkt. Zum anderen gab es eine Bautradition, welche sich nur sehr langsam veränderte.
Genau aus diesem Verhältnis zwischen Freiheit und Anpassung lässt sich auch heute eine Berechtigung für eine Siedlungsentwicklung nach dem Zellenprinzip ableiten. Die Zellenstruktur ist eine Ordnung, welche der Siedlung auf eine sehr lange Dauer hinaus eine hohe Anpassungsfähigkeit zusichert. Die Grundlage dafür ist die Festlegung von fixen Zellen, welche dann nicht mehr zusammengelegt werden sollten. Zum Funktionieren eines solchen Systems gehört aber auch die Einsicht, dass die Stadt kein fertiges Produkt ist, sondern sich in ständiger Bewegung befindet. So muss es möglich sein, entlang von Leitlinien, die Grundstücke zu verdichten oder Gebäude aufzustocken.
Um diese Vorteile zu erhalten ist es notwendig die Zellenstruktur nicht durch Grossnutzungen zu stören. Das kann dazu führen, dass diese Nutzungen ausserhalb der Siedlung angeordnet werden oder dass sie an speziell dafür vorgesehenen Orten innerhalb der Struktur eingefügt sind. Dabei müssen sie aber eine Sonderstellung einnehmen, wie dies beispielsweise die Kirchen in der mittelalterlichen Stadt taten. Ansonsten blockieren sie die Anpassungsprozesse der einzelnen Zelleninhalte untereinander.
Die Anwendung von Zellstrukturen kann demnach durchaus Sinn machen, wenn man an flexiblen Stadtsystemen interessiert ist. Es muss dann aber auch alles dafür getan werden, dass die Faktoren, welche diese Flexibilität tragen, ihre Wirkung nicht einbüssen. (Weiter bei…)