Morella, Qualität
Der malerische Ausdruck einer Siedlung alleine macht noch keine mittelalterliche Stadt aus ihr. Zumindest entgehen den Nutzern eine Vielzahl an Qualitäten, des Stadttypus, wenn nur auf diese offensichtlichste aller Eigenschaften Bezug genommen wird. Was also ist das Wesen der Altstädte, dass auch in heutige Siedlungskonzepte übertragen werden könnte?
(… vorher) Für die Entwicklungsfähigkeit und damit für das langfristige Funktionieren der Stadt, sind die weniger sichtbaren Faktoren weitaus entscheidender als die vordergründige Formgebung und das Flair. Wie sich gezeigt hat, war für die Zähringerstadt die Art der Parzellierung die entscheidendste Festlegung. Ihr ist es zu verdanken, dass die Stadt über die Jahrhunderte flexibel geblieben ist und sich so auf die Anforderungen der jeweiligen Zeit einstellen konnte. Die offene Gestaltung des Hofstätten-Inneren ermöglichte erst die Erhaltung der städteplanerischen Grundzüge. Die Marktstrasse und die Aussenform der Stadt wurden nur marginal angepasst. Da die Veränderung und das Wachstum auf dem Parzelleninneren hatte stattfinden können. Auf Grund der grosszügigen Raumaufteilung bei der Stadtgründung konnte sich die Stadt noch sehr stark verdichten, ohne einer Fehlproportionierung zu unterliegen.
Die Parzellierung war aber nicht nur die Grundlage für die Flexibilität der Stadt, sie formte auch den Ausdruck der Strassenzüge mit. In dem die Hofstätte weiter unterteilt wurden, ergaben sich kurze Häuserfassaden, welche zusammen mit der typischen Bauweise ein einheitliches aber dennoch lebendiges Strassenbild ergaben. Flair und Flächenorganisation liegen in der mittelalterlichen Stadt also nahe beieinander.
Typisch für die Stadt vor der Industrialisierung ist aber auch deren Abgeschlossenheit. Die Stadt war, aus Gründen der Verteidigung, eine kompakte Einheit. Diese Notwendigkeit trägt einen wichtigen Teil zur Ausprägung der städtischen Qualität bei. Nur auf Grund des Schutzbedürfnisses gab es die Notwendigkeit eine Aussenform der Siedlung zu definieren. Nur auf Grund der möglichst effizienten, an die Topografie angepassten Aussenform, sind komplexe Geometrien in der Stadtplanung aufgetaucht. Die Aussenform wirkte sich wiederum deformierend auf die Parzellen im Stadtinnern aus und führte letztendlich zu den charakteristischen Biegungen der Gassen.
Es kann kontrovers diskutiert werden, ob all diese Eigenschaften auch in einer neuzeitlichen Siedlungsgründung noch Platz finden. Auf den ersten Blick ist eine geschlossene Aussenform und die kleinteilige Parzellierung eher ein Hindernis für die Entwicklung einer Stadt. Man hat sich mit den historischen Zentren zwar abgefunden und sie in den letzten Jahrzehnten sogar schätzen gelernt. Aber tut man auch gut daran, auch heute noch so zu bauen? (Weiter bei…)