BIG, Tiefgang aber wie

BIG, Tiefgang aber wie

Der Architektur Tiefe zu verleihen, ist keine einfache Sache. Dazu braucht es eine übergeordnete Idee, welche sich nicht in einfachen Schlagworten erschöpft. Doch wo lässt sich eine solche Idee finden und wie wirkt sie sich aus – und noch schwieriger; wie lässt sich eine solche Idee rechtfertigen?

(… vorher) Es mag dem heutigen Zeitgeist entsprechen, dass sich BIG mit ihren zeichenhaften Architekturen in die Nähe der Werbebranche bewegen. In der Art wie sie die Entstehung ihrer Entwürfe beschreiben und die Endprodukte bewerben, zeichnet sich ein stringentes Marketingkonzept ab. Die professionellen Filme, die in diesem Zusammenhang hergestellt werden, sind geradezu perfekt für die Verkaufsförderung der Produkte bei Investoren.

Wie aber lässt sich das Abstützen der Entwürfe auf dem Marketing in das Feld der Architekturtheorien einordnen? Können wir bei einer solch profanen und selbstbezogenen Intention von einem Zuwachs an gestalterischer Tiefe sprechen?

Grundsätzlich lassen sich zwei Arten der Architekturbegründung unterscheiden: Ideologie und Prozess. Die Architekturideologie war in den vergangenen Jahrhunderten das entscheidende Mittel zur Begründung der Gestaltung. Doch auch wenn sie uns in vielerlei Hinsicht noch immer beeinflusst, ist ihre alles bestimmende Kraft in den letzten vierzig Jahren erheblich geschwunden. Die Exponenten der letzten halbwegs relevanten ideologischen Strömung, des Dekonstruktivismus, haben sich zu grossen Teilen zu Marketingarchitekten weiter entwickelt. Vom anfänglichen ideologischen Aufbruch Hadid‘s, Coop Himmelblau‘s und Gery‘s, sind nur die überbordenden Formwelten übrig geblieben. Daneben gibt es diverse Revivals (Neozismen). Diese wechseln sich aber in solch schneller Folge ab, dass kaum von einer tragenden Ideologie gesprochen werden kann. Zurzeit sind in Zürich gestalterische Anleihen an die Italienischen Moderne der 50-ger Jahre hoch im Kurs. Wer weiss, welche Mode nächstes Jahr vorherrscht.

Dem gegenüber steht der Prozess gestützte Ansatz, als Mittel zur Begründung von Gestaltung. Als Folge des Zusammenbruchs der starken Ideologien lässt sich der Entwurf nicht mehr der Ideenwelt und Heilsversprechung einer Philosophie unterstellt. Mit dem prozesshaften Vorgehen kann das entstandene Ideologie-Vakuum wenn auch nicht geschlossen, so doch überbrückt werden. Mit Hilfe von Recherche und Iteration lässt sich auch ohne klare Doktrin zu annehmbaren und erklärbaren Resultaten finden. Mit der Recherche werden Informationen zur Umgebung, zur Kultur, zur Typologie, zur Soziologie usw. gesammelt. In der darauf folgenden Entwurfsphase werden auf der Basis dieser Faktoren Ideen generiert und zusammengebracht. Dabei werden die teilweise gegensätzlichen Entwurfsfragmente in mehreren Durchläufen (Iteration) schrittweise zu einem Ganzen verknüpft.

Wer seiner Gestaltung Tiefe verleihen möchte, der kann sich demnach auf Ideologie oder Prozess stützen. Wenn wir diese beiden Vorgehensweisen als gegensätzliche Verhaltensweisen verstehen, lässt sich die Marketingstrategie von BIG eher der ideologischen Seite zuordnen. Die Gestaltungsstrategie folgt den marktwirtschaftlichen Mechanismen, welche sie mindestens nach aussen idealisiert. Dem gegenüber ist die Recherche und Iteration kaum vorhanden.

Allerdings erscheint es widersprüchlich, im Zusammenhang mit Marketing von Tiefe zu sprechen. Das mag daran liegen, dass hinter der Werbung nur die Heilsversprechung des Konsums steht. Damit ist auch gesagt, dass die Qualität der Entwurfsbegründung immer auch von den Theorien abhängt, auf die man sich bezieht. Wenn das Marketing als Disziplin als etwas Oberflächliches gilt, ist das wohl keine gute Voraussetzung um der Gestaltung Tiefe zu verleihen.