Barragán, Farbe und Raumbildung
Barragán erreicht die Raumbildung durch die Farbe mittels dreier Methoden: Er komponiert verschiedene Farbflächen aneinander, nutzt die Reflexion von Farbe im Sonnenlicht und setzt bunte Glasscheiben ein, die den Raum mit gefiltertem Licht fluten. Nachfolgend sollen diese drei Methoden genauer beschrieben werden.
(…vorher) Die erste Strategie lässt sich am eindrücklichsten an der Gestaltung des Reiterhofs San Cristobal nachvollziehen. Dort treffen die weissen Wandflächen des Wohnhauses mit den rosa gestrichenen Umfassungswänden des Hofes und der braunroten Wandfläche des Brunnens zusammen. Sekundiert werden diese stark bunten Anstriche durch den beigen Boden, die hellblaue Wasserfläche und die satt grünen Bäume. Die Anlage ist auf den ersten Blick von intensiven Farbkontrasten geprägt.
Weiter fallen die sehr grossen geschlossenen Wandflächen ins Auge. Sie erzeugen im Zusammenhang mit ihrer Farbigkeit eine starke Präsenz. Unübersehbar bis aufdringlich flankiert die rosa Wand das Gelände. Je näher man an die Flächen herantritt, desto stärker ist ihre Wirkung. Schliesslich kann man sich ihnen wohl kaum noch entziehen.
Der Effekt, der sich durch die Präsenz der Wände und dem Zusammenspiel ihrer unterschiedlichen Farben ergibt, ist ein zweistufiger: Zum einen löst sich die gewohnte Räumlichkeit, welche durch rechtwinklig zu einander stehenden Wandscheiben entsteht, bisweilen fast gänzlich auf. Obschon die Umfassungsmauer und das Wohnhaus aufeinander stossen, werden sie dennoch als stark voneinander getrennt wahrgenommen. Die Farben sind derart eigenständig, dass sich auch ihre Trägerflächen von der Umgebung abzuheben scheinen. Zum anderen fügen sich die Wände im Sinne einer malerischen Komposition zu einer Einheit. Die Farben, so unterschiedlich sie auch sein mögen, spielen zusammen, in dem sie untereinander eine Spannung aufbauen. Barragán dividiert die raumbildenden Elemente auseinander um sie im gleichen Zug wieder zusammen zu komponieren.
Die Hofbauten können als ein grosses dreidimensionales Gemälde verstanden werden, in dem man sich von Blickwinkel zu Blickwinkel bewegen kann. Im einen Moment nimmt man nur eine einzelne Farbe wahr, im nächsten Augenblick sieht man die Flächen als gleichwertiges Gegenüber, um kurz darauf eine Hierarchie von Vordergrund und Hintergrund zu entdecken. Die Rolle der Wandscheiben als Objekt oder Malgrund wechselt dabei je nach Standort. (Weiter bei…)