Cook / Fournier: und die Stadt
Von den beiden Architekten ist man sich als Autoren der Zeitschrift Archigram progressives zum Thema Stadt gewöhnt. Nicht ganz unerwartet blieb die Umsetzung der Blug-In-City und Walking-City aus. Mit dem Grazer Kunsthaus haben sie ein Bauwerk realisiert, das sich für die Stadt, wenn auch nicht ganz so umfassen, so doch tiefgreifend auswirkt.
(…vorher) Archigram inszenierte die Stadt als einen „lebendigen Organismus, der mehr als eine Ansammlung von Gebäuden sei“ (1). Die technikvernarrten Popartarchitekten beschäftigten sich mit der persönlichen Wohnkapsel, welche an die Stadt angedockt werden sollte oder liessen die Städte als Gesamtes umherwandern. Flexibilität erschien den jungen Visionären als eine der wichtigsten Eigenschaften, die eine Siedlung aufzuweisen hatte.
Das transportable Heim fand, mit Ausnahme von Wohnwagensiedlungen, keinen Niederschlag in der Stadt. Wohl aber der Aufbruchgedanke der Autorengruppe. Die frische Art, wie man Siedlung und Architektur dachte, beflügelte eine ganze Generation und hallt bis heute nach.
Das diese Autoren im Fahrwasser der Innovationen und Verrücktheiten, welche sie selbst miterzeugt hatten, ein aussergewöhnliches Gebäude realisieren konnten, ist nur gerecht. Allerdings scheint ein einziges Haus, in anbetracht ihrer grossen Ambitionen, etwas wenig zu sein. Ein solches Einzelstück vermag kaum denselben Effekt auf die Stadt auszuüben, wie es deren Neukonstruktion getan hätte.
In technischer Hinsicht ist dies sicher richtig. Die Struktur der Stadt ist dieselbe wie vor hundert Jahren. Das Kunsthaus hat daran nichts verändert. In ideeller Hinsicht aber hat das Haus durchaus eine grosse Wirkung auf die Stadt. Es kann sich zwar selbst nicht bewegen, aber es fordert Beweglichkeit von seinen Betrachtern. Dabei geht es nicht um die simple Tatsache, dass die Gebäudeform nur durch das Umkreisen des Objektes ganz erfasst werden kann. Es geht um die Provokation des Hauses. Das Volumen ist ein formaler Dorn im Auge der einheitlichen Stadt. Durch den Kontrast zwischen Objekt und Umgebung wird der Betrachter herausgefordert. Das Haus ruft ihm zu: „Was ist die Stadt? Wie soll Sie sein? Wie soll sie werden?“
Die Antwort des Kunsthauses auf seinen eigenen Ausruf hat mit Architektur nicht viel zu tun. Seine These von der Stadt ist die kindlich, spielerisch anmutende Utopie. Seine vordringlichste Eigenschaft ist es denn auch nicht Kunst aufzubewahren, sondern selbst Kunst zu sein. Es steht in der gebauten Stadt, ausserhalb ihrer Regeln, aber für deren kreative Erweiterung. (Weiter bei…)
(1) Wikipedia zu Archigram, 2014