Zürich, realistisches Szenario

Zürich, realistisches Szenario

Die Stadt Zürich läuft nicht Gefahr, zu einem monotonen Siedlungsbrei zu verkommen. Projektentwürfe werden nur für jeweils ein Grundstück entwickelt und sind daher zu unterschiedlich. Am Beispiel des bereits besprochenen Quartiers West-Albisrieden wagen wir eine Prognose, wie die Stadt in dreissig Jahren aussehen wird.

(… vorher) Langfristige Voraussagen sind meist falsch, zufällig oder zu allgemein gefasst. Wenn es darum gehen soll die bauliche Entwicklung von Zürich zu beschreiben, werden wir wohl nie genau richtig liegen. Sinnvollerweise können wir nur die Prozesse, die heute stattfinden, in die Zukunft projizieren und uns darüber Gedanken machen, ob wir auf diesem Weg vorwärts gehen möchten.

Fraglos wird sich die Stadt in den nächsten dreissig Jahren stark verändern. Dafür sprechen das Alter und die Substanz des Nachkriegsbestandes, die einen grossen Anteil der städtischen Bebauung ausmachen. Nach sechzig Jahren kommt so manche Siedlung an ihr Lebensende: Die Haustechnik muss ersetzt werden, die Bemühungen zur Energieeinsparung verlangen nach einer verbesserten Wärmedämmung und der Wohnungszuschnitt entspricht nicht mehr den Erwartungen der Mieter. All diese Mängel werden oft mit Ersatzbauten behoben. Bei der Neuprojektierung entsteht nämlich ein weiterer wesentlicher Vorteil: Das Grundstück kann nach der heutigen Bau- und Zonenordnung wesentlich stärker ausgenutzt werden.

Auf der Strecke bleibt dabei die alte Bautypologie. Die meist doppelt so hohe Dichte macht eine wesentliche Geschosserhöhung notwendig, oder die Baukörper dehnen sich zu Ungunsten des Aussenraumes in die Tiefe aus. So oder so, die Eigenschaften des Bestandes können nicht erhalten werden. Damit stellt sich für den Planer die Frage, welche neue Typologie er wählen soll. Mit seiner architektonischen Antwort greift er stark in das Gefüge der Stadt ein, welche im Wesentlichen durch die Typologien geformt wird.

In den vorangegangen Texten dieser Reihe sind wir mit einigen Typologien in Berührung gekommen, die in Zürich Anwendung gefunden haben (Siedlung Triemli, Hagenbuchrain, Eyhof). Im Weiteren haben wir uns auch in der Reihen Typologie der Grösse und Brandet Areas mit solchen Typologien auseinandergesetzt. Dabei haben wir feststellen können, dass in der Stadt Zürich die Auswahlverfahren in den allermeisten Fällen unterschiedliche Typologien hervorgebracht haben.

Würde demnach das gewohnte Vorgehen der Projektwahl auf die Entwicklung des Bereiches West-Albisrieden angewandt, so fiele das Quartier formal und typologisch auseinander: Zufällig gestreute Punkthäuser stünden dann unvermittelt neben geordneten Riegeln und abgeknickten Langbauten.

Die Hoffnung bleibt aber intakt, dass sich dieses Stadtgebiet nicht ganz so chaotisch entwickeln wird wie die gesamte Stadt. Eine positive Auswirkung könnte die starke Staffelung haben, in der die einzelnen Projekte entwickelt werden. Indem die einen Siedlungen bereits gebaut und andere schon fertig geplant sind, besteht für die Wettbewerbsteilnehmer zukünftiger Auswahlverfahren ein gestalterischer Rahmen, in den sie ihre Entwürfe einpassen können. Zudem wurden mit dem Hagenbuchrain und dem Eyhof angepasste Bauformen gewählt, deren wesentlicher Beitrag die Eingliederung darstellt. Es ist zu hoffen, dass sich auch in den kommenden Wettbewerben die gleiche städtebauliche Haltung durchsetzen wird. Damit sich das städtebauliche Chaos an der Mühlackerstrasse in Zürich-Affoltern nicht wiederholt. (Weiter bei …)