Was ist eine Siedlung
Eine Siedlung ist eine Gebäudegruppe, welche eine Einheit bildet. Sie ist ihrem Sinn nach ein abgeschlossenes Gebilde. Noch vor sechzig Jahren war diese Abgeschlossenheit hauptsächlich eine organisatorische Angelegenheit. Heute spielt die Einheit des ästhetischen Ausdrucks eine immer wichtigere Rolle.
(… vorher) Die Nachkriegswohnbauten sind alle gleich. Dachneigung, Fassadenbild, innere Struktur und Bauhöhe, alles unterliegt einer offensichtlichen Normierung. Welches Quartier man auch auswählt, wenn die Bauten aus denselben Jahrzehnten stammen, wird man dieselben Formen und denselben architektonischen Ausdruck immer wieder vorfinden. Gesetzgebung und wirtschaftliche Zwänge mögen Gründe für diese Einheit sein. Sicher hatte aber auch ein gestalterischer Konsens unter den Architekten bestanden.
Eine solche Übereinkunft gibt es heute nicht mehr. Dazu ist die Experimentierfreude der Architekten viel zu gross. Innovation ist ein wichtiger Gradmesser für gute Architektur geworden. Sie soll helfen die Autorenschaft gegenüber der Konkurrenz abzugrenzen. Dies zeigt sich gerade in der Wettbewerbsszene. Gestaltung ist hier schon lange kein Statement mehr für eine bestimmte Ideologie. Sie dient dem Marketing des jeweiligen Architekturbüros. Dazu muss die Architektur auch gut fotografisch abbildbar sein. Prägnante Form- und Farbkonzepte sind die Folge. Doch nicht nur der Architekt denkt immer mehr in den Kategorien des Marketings. Auch für den Bauherren ist diese Sichtweise nicht fremd. Zum einen liegt es in seinem Interesse seine Werte zu vermitteln. Zum anderen kann es darum gehen, sein Eigentum gegenüber den Nachbarn klar abzuheben. Das Wohnangebot erhält ein eigenes Gesicht, mit dem Standortmarketing betrieben werden kann.
Eigentümer wie auch die Architekten profitieren also von einer klaren, eigenständigen Designsprache. Die daraus entstehenden Entwurfsstrategien haben sich tief in das Bewusstsein der Akteure verankert. Es besteht die Überzeugung, dass eine Siedlung in gestalterischer Hinsicht als solche erkennbar sein müsse.
Im Vergleich dazu sind die Bauten der Nachkriegszeit aus architektonischer Sicht nicht relevant. Sie verfolgen eine funktionale, schlichte Ästhetik. Heute würde ein solches Vorgehen nur Kopfschütteln auslösen. Niemand mehr will eine angepasste, graue Maus bauen. Heute ist eine Siedlung eine Gebäudegruppe, welche eine ausdrucksstarke, ästhetische Einheit bildet. (Weiter bei …)