theoretisch durchgrünt

theoretisch durchgrünt

Eine wesentlich erhöhte bauliche Dichte ist durch die Stapelung zusätzlicher Geschosse möglich. Je weiter man aber in die Höhe baut, desto stärker verändert sich der Bezug zum Boden. Damit stellt sich uns eine zentrale Frage: Welche Rolle nimmt der Aussenraum in der höher gebauten Stadt ein?

(… vorher) Das Paradebeispiel für den dichten Zeilenbau in Zürich ist die Siedlung „N-Joy“ der Architekten Cerv + Wachtl. Sie liegt direkt neben der viel diskutierten Blockrandbebauung Klee, an der Heinrich-Wolff-Strasse. Die Bebauung besteht aus vier identischen siebengeschossigen Längsbauten. Alle sind sie strikte parallel ausgerichtet und bilden so eine klar geordneten Anlage. Dass die Bauten gegen einander versetzt sind, lockert die Ordnung nur geringfügig auf, sind doch die Gebäude selbst sehr scharfkantig gestaltet. Selbst mit der Aussenraumgestaltung zielen die Planer auf einen strengen gestalterischen Ausdruck. Die Wiesenfläche tritt hier in Form von parallelen Streifen auf.

Die Konzeption des Aussenraumes erinnert mehr an eine Grafik, als an einen Zwischenraum. Nicht nur aus der Vogelperspektive des Sattelitenbildes, sondern auch aus den Wohnungen muss sie dieselbe Wirkung haben. Doch die Gartengestaltung ist nur der offensichtliche Hinweis auf die Lesart des „Gartens“ als zweidimensionale Fläche. Sie ist nicht die Hauptursache für diese Interpretation. Es liegt an den Baukörpern selbst. Ihre klare, scharfkantige Form minimiert jeglichen Bezug untereinander gegen Null. Jedes Gebäude ist streng genommen ein autarkes, auf sich selbst bezogenes System. Das liegt an der glatten Fassade, an der Einbindung der Balkone in das Gebäudevolumen und dem abrupten Verhältnis von Sockelgeschoss zu Aussenraum. Es liegt aber auch ganz wesentlich an der Gebäudehöhe. Alles was über das vierte Geschoss hinaus reicht, kann aus der Fussgängerperspektive nicht mehr in Bezug zum Boden gesetzt werden. Die Baukörper werden damit etwas weniger greifbar. Sie gewinnen an Abstraktion und Unabhängigkeit. Damit schwindet auch der Fokus auf den Zwischenraum als Verbindungsraum. Es geht hier nicht darum einen sozialen Austausch zu fördern, weder in Form von Begegnungen noch durch die Erzeugung von Sichtbezügen. Der Zwischenraum wird hier zum Gegenstand der Betrachtung.

Die Gartengestaltung macht diese Charakteristik auch aus der Fussgängerperspektive erlebbar. Man bewegt sich nicht durch einen Raum, sondern auf einer zweidimensionalen Grafik. Damit liegen die Typologien des Nachkriegs-Zeilenbaus und jener des dichten Zeilenbaus weit auseinander, obschon beide als durchgrünt bezeichnet werden können. Durchgrünung nach traditionellem Verständnis bedeutet ein Naturbezug beim Durchschreiten einer Anlage. Durchgrünung nach der Typologie des dichten Zeilenbaus ist als grafische Fläche mit grüner Farbe zu verstehen. Die Materialisierung ist hier letzten Endes zweitrangig. (Weiter bei …)