Addition von Grossbauten

Addition von Grossbauten

Grossbauten haben auf Grund ihrer Ausdehnung und ihrer durchgängigen Gestaltung einen nicht unerheblichen Hang zum Einzelgängertum. Am Beispiel der Siedlung Triemli soll diesem Phänomen nachgespürt werden.

(… vorher) Wie bereits im Beitrag „Zwischen Haus und Stadt“ erläutert, besteht besagte Siedlung aus zwei geknickten Gebäuden, welche zusammen einen Innenhof bilden. Mit verschiedenen Mitteln grenzt sich die Siedlung gegenüber ihrem Umfeld ab. Dabei ist die Differenz, die sich durch den Massstabssprung zwischen dem Neubau und den viel kleineren Altbauten in der Nachbarschaft ergibt, das Augenscheinlichste. Allerdings wird dieser Massstabssprung auf Grund des zu erwartenden Wandels nicht von grosser Dauer sein. Auch andere Grundeigentümer werden die Chance packen und die unternutzten Grundstücke neu bebauen. Bleiben werden allerdings die formalen Eigenheiten der Siedlung: Als erstes ist die Grossform zu nennen, welche eine Art „Kreis“ bildet. Dieser Kreis teilt das Grundstück in zwei Teile. Alles was ausserhalb des Kreises liegt, gehört zur lärmigen Stadt. Alles was innerhalb des Kreises ist, gehört zu einer geborgenen, heilen Wohnwelt. Ähnlich einer Wagenburg amerikanischer Siedler, die sich in alter Hollywood-Manier gegen den Ansturm wilder Indianer stellt, erkämpft sich hier das Gebäude einen sicheren Freiraum. Dieser Raum ist aber nur mit der Abschottung von aussen zu haben. Dieser Eindruck wird durch die trutzige Fassade noch verstärkt. An den Seitenfassaden gipfelt die harte Materialisierung der Betonfertigteile in Fensterschlitzen, die uns sonst nur von den Zweitweltkriegs-Bunkern der Bretagne bekannt sind

Neben der Kreisbildung und der Fassadenmaterialisierung tragen noch zwei weitere Aspekte zur Abgeschlossenheit der Siedlung bei: Es sind dies Repetition und Grossform. So ist es nicht nur der massive Materialausdruck der die Wirkung der Fassade bestimmt. Es ist auch die gleichmässige Wiederholung der Fassadenelemente. Fenster, Wandteile und Balkonbrüstungen reihen sich zu einem regelmässigen Muster aneinander. Die Repetition führt zu einer starken Einheit. Jeder Stelle des Baus gleicht der anderen. Es gibt kaum Anhaltspunkte, welche einzelne Gebäudeteile auszeichnen. Indem sich also die Details der Elementfügung in einem Meer der Repetition wiederholen, verschwindet die Bedeutung der Details. Sie wirkt nicht für sich selbst, sondern als Teil eines Ganzen. Dieser Eindruck eines grossen Ganzen wird auch von der Grossform unterstützt. Mit Grossform ist nicht die bereits besprochene Kreisform an sich gemeint. Es geht nicht um die Art der Form des grossen Gebäudes. Es geht darum, dass das Gebäude überhaupt geformt ist. Im Unterschied zu einem Feld von Einzelbauten besteht bei Grossbauten die Möglichkeit, ihre Einheit durch die Formgebung zu verstärken. Im Falle der Siedlung Triemli sind es die Knicke in der Fassade. Sie prägen den Ausdruck des Baus, im Vergleich zu einem rechteckigen Volumen viel bewusster. Das mag zu einem guten Teil daher kommen, dass es einfach mehr rechteckige Baukörper gibt und der geknickte Baukörper gewissermassen als Ausnahme auffällt. Es ist aber nicht von der Hand zu weisen, dass die geknickte Form noch aus einem anderen Grund eigenständig und in sich geschlossen wirkt. Durch die schräg aneinander gesetzten Bauvolumen ergibt sich der Eindruck einer Bewegung. Als wäre an dieser Stelle eine prähistorische Schlange in der Bewegung erstarrt. Wir lesen die Knicke nicht als abstrakte Formeigenschaften, sondern sehen sie als eine Abfolge in einem Ganzen.

Die Wirkung dieses Ganzen, gestützt durch Kreisbildung, Fassadenmaterialisierung, Repetition und Grossform wird sich stets gegen seine Umgebung abgrenzen. Auch wenn sich in den nächsten Jahren die Grössenordnung der Bebauungen durch weitere Neubauprojekte in der Umgebung angleichen wird, werden die Differenzen im einst so einheitlichen Quartier bleiben. Aus den Siedlungen, die in den letzten fünf Jahren fertig gestellt wurden, kann man schliessen, dass die Stadt kaum an einer neuen einheitlichen Bebauungsform interessiert ist. Alle möglichen Arten von Typologien wurden entwickelt und wie es scheint ganz unabhängig voneinander beurteilt. Auch von der Seite der Architekturschaffenden ist kaum anzunehmen, dass sie die Architektursprache eines Konkurrenten übernehmen werden. Falls also nicht die Architekten Von Balmoos Krucker die Wettbewerbe in der Umgebung für sich entscheiden können, wird die Stadt in der Umgebung der Siedlung Triemli von Brüchen bestimmt sein. So wird die Stadt, noch stärker als sie es schon war, zu einer Addition von Grossbauten. (Weiter bei…)