Gebiete mit geringer Schwerkraft

Gebiete mit geringer Schwerkraft

Nicht alle Quartiere sind in ihrer Ordnung und Charakteristik konsistent.

(… vorher) Wo keine Ordnung herrscht, ist die Einordnung grosser Gebäude nicht möglich. Dort gibt es nichts, woran man sich ausrichten könnte. Nicht alle Quartiere können eine starke Struktur entwickeln oder über die Jahre beibehalten. Es sind Flickwerke, die durch zusammenhangslose Einzelinitiativen entstanden sind. Da steht eine 12-geschossige Wohnsiedlung aus den 80 Jahren neben Blockrändern. Ein bisschen weiter geht man an einer Gruppe gleicher Punkthäusern aus den 90-ern vorbei. Die Stadt hat hier keine erkennbare Ordnung. Die Ausrichtung des Gebiets, seine Körnung, seine Höhenentwicklung, die Bebauungstypologie und die Aussenraumtypologie sind so verschieden, dass selbst ein grosses Gebäude hier nicht genügend hierarchisierende Schwerkraft erzeugen kann.

Dies mag daran liegen, dass die einzelnen Gebäudegruppen nicht auf die Stadt ausgerichtet sind, sondern für sich alleine stehen. Eine Eingliederung in eine grosse Struktur scheint bei solchen Architekturen nicht beabsichtigt. Oder aber die Autoren sind davon ausgegangen, dass sie selbst den zukünftigen Bebauungstypus entwickelt haben. Die Stadt werde sich, Dank dem überzeugenden Entwurf, nach ihrem Vorbild weiterentwickeln. Offensichtlich reicht die Initiative eines Einzelnen hierzu nicht aus, wenn sie nicht in eine übergeordnete Planung eingebettet ist. Das Ergebnis ist eine offene, zuweilen durchgrünte Stadt der Egoismen.

Jedes dieser Bebauungsformen hat eine gewisse Masse, aber keine reicht aus um die anderen zu prägen. Obschon es sich hier um grosse Gebäude und teilweise grosse Baufelder handelt, die in der gleichen Art bebaut sind, reicht dies dennoch nicht aus um das Gebiet als Ganzes zu ordnen. Grösse auf der Ebene einzelner Gebäude hat daher für den Städtebau eine geringe Relevanz, wenn sie sich nicht abhebt. Zentren können nur in Abhängigkeit einer Struktur entstehen. Es ist eine Differenz notwendig zwischen der grossen Masse und ihrem „Mittelpunkt“. Diese Logik zur Bildung von Zentren gilt sowohl in funktionaler, als auch in formaler Hinsicht.

Die Bildung von Differenz mit formalen Mitteln wird im Umfeld von Grossbauten immens schwieriger. Eine Problematik, die sich mit dem Drang zur städtischen Verdichtung noch verschärfen wird. Denn was uns bis anhin als Teil des Stadtgewebes entgegen trat, ist nun selbst gross und einzigartig. Es scheint geradezu in der Natur von grossen Bauten zu liegen, dass diese zu einem eigenen Ausdruck streben. Dies lässt sich an so mancher Stelle in der Stadt feststellen. Es sind eben diese Flickwerke aus Einzelinitiativen, in denen jedes Gebäude für sich steht, wo keine Ordnung und keine Struktur erkennbar ist. Es sind Gebiete, die einem als unmotiviert in Erinnerung bleiben, falls man sie überhaupt wahrgenommen hat. Es sind Gebiete ohne starken Ausdruck, oder anders formuliert, Gebiete mit geringer Schwerkraft. (Weiter bei…)