Mall und Kino
Neben der Mall und dem Museum gibt es noch eine Umgebung, die mit der Darstellung von Informationen verbunden wird – das Kino. Die Informationen scheinen die Besucher zu umfassen. Sie stehen dort in einem Masse im Vordergrund, dass man sich fragt, warum dieser Raum erst jetzt zum Thema wird.
(… vorher) Die Antwort auf diese Frage ermöglicht uns einige Überlegungen zum Begriff Informations-Umgebung anzustellen. Was macht es aus, dass wir bei Mall und Museum selbstverständlich von Umgebung sprechen und lässt sich dies auch auf das Kino übertragen?
Betrachten wir zunächst aus welchen Bestandteilen das Kino besteht. Da gibt es einen Projektor der ein Lichtbild an eine Leinwand wirft. Es gibt die bewegten Bilder, die einen Inhalt transportieren. Es gibt die Zuschauer, die im Kino ihr Freizeitvergnügen suchen und es gibt einen Raum in dem sich das alles abspielt. Damit lässt sich in den Komponenten ein Vergleich zwischen Mall, Museum und Kino ziehen. Alle drei sind physisch reale Räume, in denen technische Systeme Informationen abgeben. In der Wirkung unterscheidet sich das Kino jedoch von den anderen beiden Orten. Denn während bei Mall und Museum der Raum stets Teil der Erfahrung ist, lässt das Kino nichts unversucht ihn auszublenden. Die Mittel dazu sind die Abschottung und die Kontrastbildung. Zunächst schottet sich der Kinoraum mit dicken Wänden gegenüber allen Einflüssen von Aussen ab. Der Film soll nicht durch fremde Geräusche oder Lichteffekte gestört werden. Des Weiteren wird der Raum abgedunkelt. Zwischen der hellen Leinwand und dem Sitzbereich der Zuschauer, soll ein möglichst grosser Kontrast erzeugt werden. Damit wird die Aufmerksamkeit von der Infrastruktur weg und zu den Inhalten hin gelenkt. Auch mit dem Ton wird diese Absicht gestützt. Die Lautstärke wird so aufgedreht, dass das Rascheln der Popkorntüten nicht mehr wahrgenommen wird. Das Kino betreibt damit also eine dreifache Strategie der Ausblendung: Sie versucht das Aussen, das Innen und die anderen Besucher aus der Wahrnehmung des Individuums zu tilgen. Obwohl also der Kinoraum den Menschen physisch umgibt, kann kaum davon gesprochen werden, dass es sich dabei um eine Umgebung handelt. Das Einzige, was das Kino zeigt, ist der Film.
Ein entscheidender Faktor zur Definition des Begriffes ist damit genannt. Die Umgebung muss als umgebend wahrgenommen werden. Diese Erkenntnis ist nicht so banal wie sie vielleicht klingen mag. Denn damit lässt sich aufzeigen, dass das was wir als Umgebung bezeichnen, ein Phänomen der Wahrnehmung ist und nur zweitrangig das physisch Reale betrifft.
Umgebung wird aber noch durch eine zweite Komponente definiert. Es geht hier um die Art der Begrenzung. Dies lässt sich anhand der Filmprojektion auf der Leinwand erläutern. Zunächst erinnert uns deren Wirkung stark an eine Umgebung. Packende Filme schaffen es uns ganz in ihre Bilderwelt hineinzuziehen. Nicht einmal die Leinwand spielt noch eine Rolle. Obwohl sie zusammen mit dem Projektor die wichtigste Komponente darstellt, die den Film überhaupt ermöglichen, verschwindet sie hinter den bewegten Bildern. Das Wort Umgebung scheint für die Beschreibung dieses Phänomens aber dennoch ungeeignet zu sein. Sobald sich der Zuschauer von der Leinwand abwendet durchbricht er die Anziehungskraft des Filmerlebnisses. Gleichermassen limitiert ist der Film, was seine Dauer und Chronologie angeht. Beides ist nicht veränderbar. Beides ist nicht frei wählbar. Der Besucher kann sich nicht wie im Museum mit jedem Exponat so lange beschäftigen wie er es möchte. Der Ablauf des Filmes legt genaue Fristen fest. Aus einem Filmerlebnis kann der Zuschauer aus den unterschiedlichsten Gründen herausfallen, sei es aus Unaufmerksamkeit oder weil der Abspann eingeblendet wird. Ein Museum oder eine Mall haben dagegen klar definierte Ausgänge, die bewusst durchschritten werden müssen.
Das Kino kann also nicht als Umgebung beschrieben werden, da es auf der Ebene der Bildprojektion sehr schwache Grenzen aufweist, und auf der physischen Ebene das Verschwinden erprobt. Während die Mall und das Museum Räume der Information sind, besteht die Wirkung des Kinos in einer Oberfläche der Information. Als solche ist es ihr zwar möglich anziehend und einnehmend zu sein, aber eben nicht umgebend. (Weiter bei…)