Das Lebendige

Das Lebendige

Was uns am städtischen Aussenraum unmittelbar fasziniert, ist kaum der Prozess der Öffentlichkeit. Zu grossen Teilen ist es das Lebendige. Stimmengewirr, Bewegung, Farb- und Formvielfalt bilden ein Lebensumfeld, in dem wir uns eingebettet fühlen können.

(.. vorher) Der städtische Aussenraum mit seinen Pärken, Plätzen, Strassen und Gassen bietet eine Vielzahl unterschiedlicher Szenen, in der sich Leben abspielt. Wo die stillen Wohnquartiere sporadisch durch das Gekreische spielender Kinder aus ihrem Halbschlaf aufschrecken, sind die Stadtzentren von Lebendigkeit erfüllt. Läden, Bars, Cafés, Restaurants, Schulen, Bibliotheken, Coiffeursalons, Arztpraxen, Immobilienfirmen, Anwaltspraxen, Banken, Post und viele mehr, ziehen Menschen an. Um zu diesen Dienstleistern zu gelangen durchqueren die Menschen den städtischen Aussenraum. Aber der Aussenraum ist nicht nur ein Bewegungsraum. Da gibt es Strassencafes, Spielplätze, Parkbänke und Treppenstufen, auf denen es sich wunderbar die Zeit vertreiben lässt. Dort wird gearbeitet, gelernt, geplaudert und gedöst – zu fast jeder Tageszeit. Man kann diese Geschäftigkeit als Qualität verstehen. Das gilt selbstverständlich nicht für menschenscheue Personen, aber doch für einen Grossteil der Menschen, welche diesen Raum nutzen. Im folgenden Abschnitt wollen wir versuchen die Wirkungsweise dieser Qualität zu umreissen.
Die Basis für das, was wir Lebendigkeit nennen, ist die simple Anzahl von lebenden Menschen in einem definierten, überblickbaren Bereich. In dem sie ihren Interessen nachgehen, flanieren, gestikulieren, plaudern, usw., erzeugen sie im Betrachter das Gefühl einer belebten Umgebung. Dabei ist das Verhältnis zwischen der Grösse des Sichtfeldes und der Anzahl der Menschen relevant. Zwei, drei Menschen auf einem riesigen Paradeplatz erzeugen noch keine Lebendigkeit. Wo gegen sie in einem kleinen Innenhofcafé, einzig mit ihrem Zeitungsblättern und Café umrühren den ganzen Raum erfüllen. Diese unterschiedliche Wirkung der gleichen Anzahl Personen hat nichts mit den gebauten Raumdimensionen zu tun, sondern mit der Distanz vom Beobachter zum Beobachtungsgegenstand. Entscheidend ist der Anteil des Blickfeldes der vom relevanten Geschehen eingenommen wird. Dies gilt in ähnlicher Weise auch für die akustische Wahrnehmung. Schauten wir die ganze Zeit nur in eine Richtung, in der sich keine Personen befinden, empfänden wir den Ort als unbelebt, auch wenn hinter uns eine ganze Schar von Pantomimen Grimassen schneiden würde. Lebendigkeit ist eine Angelegenheit der Wahrnehmung. Daher spielen überwiegend subjektive Faktoren eine Rolle. Ob die Vorgänge um einen herum als lebendig wahrgenommen werden oder nicht, kann sich von Betrachter zu Betrachter stark unterscheiden. Allgemein lässt sich feststellen, dass Lebendigkeit etwas ist, was den Betrachter einnehmen muss, damit er es als solches wahrnehmen kann. Dazu muss er es in einem ersten Schritt bemerken und sich in einem zweiten Schritt in einem Mindestmass damit beschäftigen. Zudem ist auch die Wirkung auf den Beobachter eine subjektive. Ob die handelnden Menschen um einen herum als positiv oder negativ wahrgenommen werden, ist Geschmacksache und hängt von der Tagesform des jeweiligen Betrachters ab. Findet er keinen Gefallen daran, wird er versuchen, sich in ein angenehmeres Umfeld zu bewegen.
Als allgemeingültiger Begriff ist Lebendigkeit auf Grund seiner individuellen Wahrnehmung nur schwer greifbar. Durch Planung lässt sich Lebendigkeit kaum hervorrufen. Sie ist von der Attraktion abhängig. Also von den aktiven Versuchen Menschen anzuziehen. Lebendigkeit ist dennoch ein wichtiger Teilbereich der Wirkung des städtischen Aussenraumes. Ohne sie kann die Wirkung eines Umfeldes nicht verstanden werden. Sie trägt zu seiner Qualität bei. Fast wichtiger noch – sie rechtfertigt ihn schlussendlich. Ohne Gebrauch hat der städtische Aussenraum keine Daseinsberechtigung und könnte aufgegeben werden. Damit ist Lebendigkeit zugleich Ursprung und Ergebnis, Attraktion und Publikum in einem. Denn schliesslich ist es das lebendige Treiben als Ganzes, das den grössten Unterhaltungswert verspricht. (Weiter bei…)