Strafzettel oder Politik
Handlungen der Öffentlichkeit sind nur ein kleiner Teil dessen, was sich in allgemein zugänglichen Räumen abspielt. Die gesellschaftliche Bedeutung solcher Räume ist folgerichtig in dem Masse begrenzt, wie andere Geschehnisse in ihnen stattfinden. Fälschlicher Weise werden auch sie oft als eine Art der Öffentlichkeit angesehen.
(…vorher) Wo sich Menschen frei bewegen können, da besteht die Möglichkeit zur politischen Äusserung, aber auch zu vielem anderen. Für Demonstrationen sind diese Orte geeignet, ebenso wie für das Abstellen von Autos. Die meisten Handlungen, die im städtischen Raum vorgenommen werden, sind vorbehaltlos offen zugänglich. Diese Eigenschaft macht sie jedoch nicht zu öffentlichen Handlungen. Nur was Relevanz für die ganze Gruppe hat, ist öffentlich. Das einfache Abstellen von Fahrzeugen ist es in den meisten Fällen nicht. Eine relevante Aussage lässt sich in dieser Handlung nicht entdecken. Es sei denn, es handle sich um eine Protestaktion gegen die Parkplatzknappheit eines radikalisierten Individualverkehr-Befürworters. In diesem Falle stünde das Parkieren eines Motorfahrzeuges im Zusammenhang mit einer politischen Debatte, die unter Umständen die ganze Gesellschaft bewegt.
Buchstäblich jede Sache hat in diesem Sinne das Zeug relevant zu sein. In den wenigsten Fällen kommt diese Möglichkeit jedoch zum Zuge. Nicht nur, weil es viel mehr Fahrzeughalter ohne den Drang zur politischen Äusserung gibt, sondern auch, weil die politische Äusserung nicht zwingend eine öffentliche Äusserung sein muss. Im Falle des politischen Ungehorsams unseres Falschparkierers, dürfte ein Strafzettel die einzige Konsequenz seiner Aktion bleiben. Damit aus einer politisch motivierten Handlung auch eine öffentliche wird, ist mehr notwendig. Auch wenn der Fahrzeuglenker auf eine entscheidende gesellschaftliche Problematik hinweisen mag, öffentlich wird die Handlung erst durch die Bekanntmachung ihrer Botschaft. Erst durch die Vervielfachung im System der Informationskanäle kann sie die Gesellschaft als Ganzes erreichen. Damit nicht genug, die Gesellschaft muss auch auf das Thema reagieren. Sie muss aus der Provokation eine Diskussion werden lassen. Erst mit einem breit angelegten Gedankenaustausch kann von einer gesellschaftlich relevanten, öffentlichen Thematik gesprochen werden.
Öffentlich zugängliche Räume sind Orte, an denen ein Teil eines solchen Diskurses stattfinden kann. Allerdings findet dort auch eine Vielzahl von anderen Vorgängen statt: Der Strassenverkehr wird dort abgewickelt, es wird Handel getrieben, für Waren geworben, die Freizeit verbracht, es wird Unterhaltung angeboten, Kultur veranstaltet, Kunst gezeigt, gefeiert, musiziert, usw. Ein Grossteil dieser Tätigkeiten wird nie zu einem Thema in der Öffentlichkeit. Es reicht nicht aus, sich vor seine Haustüre zu stellen. Es genügt nicht ein wichtiges Thema anzusprechen. Es braucht immer die Gesamtheit der Gruppe, die dies wahrnimmt und darauf reagiert. (Weiter bei …)