Stadtvorgarten, Utopie Schrebergarten

Stadtvorgarten, Utopie Schrebergarten

Der Schrebergarten ist ein Konzept aus dem vorletzten Jahrhundert. Nicht umsonst wirkt es angestaubt und sonderlich. Richtig angewandt, kann das Prinzip der Gartenanlage aber als Vision des Zusammenlebens in Städten dienen.

(… vorher) Die Idee zu den kleinparzelligen Gartenanlagen entwickelte sich in Leipzig Mitte des 19.Jahrhunderts aus einer schulischen Initiative heraus. Am Anfang standen die körperliche Ertüchtigung und Erziehung der Kinder im Vordergrund. Die Gärten wurden aber rasch zu einem Ort für die ganzen Familie.


Sowohl zur Zeit ihrer Entstehung als auch in der Gegenwart stellen diese Gärten eine beliebte Freizeitanlage dar. Damals wie heute bieten sie einen wohltuenden Kontrast zu den dichten Wohnverhältnissen im Geschosswohnungsbau der Städte. Sie sind ein Paradies für Gartenfreunde und für Familien, die hier über ein kleines Stück Freiraum verfügen können. So erfreut sich das Konzept der Gartenkolonien immer noch einer grossen Beliebtheit.


Neben dem Gärtnern, dem Ausspannen im Grünen, dem Grillieren und der Geselligkeit in der Familie trägt auch das soziale Gefüge innerhalb einer solchen Gartengemeinschaft zu seinem Erfolg bei. Ganz anders als in den anonymen Wohnmaschinen, finden nachbarschaftliche Kontakten ganz von alleine statt. Der Eintritt in eine solche lockere Beziehungsnetzt wird einem nur schon dadurch erleichtert, dass man als Neuankömmling mit guten Ratschlägen für die Pflanzenzucht, das Jäten und das Verlegen der Gartenplatten unterstützt wird. Beim Wasser holen kommt man schnell ins Gespräch. Man hat immer ein gemeinsames Thema: Das Wetter, die Schädlinge, die Früchte und die Blumen. So entsteht ein nachbarschaftliches Gefüge – ein sozialer Kosmos der unterschiedlichsten Menschen mit der gleichen Freude am Garten.


Wer die Funktionsweise und Idylle der Schrebergärten schon selbst miterlebt hat, versteht den Reiz dieser Anlagen. Man Fragt sich, ob diese Art des lockeren Miteinanders und Nebeneinanders nicht auch ein Prinzip für den Aussenraum in Siedlungen ist. Tut es nicht allen Menschen gut, sich um ihr eigenen Stück Erde kümmern zu können? Wäre es nicht schön, seinen Nachbarn ohne Alltagsstress in der Freizeit begegnen zu können? Der Schrebergarten bedient wesentliche Bedürfnisse eines Menschen – Sowohl als Individuum als auch als soziales Wesen.


Sicher, nicht jeder hat die Zeit und den Willen sich mit Jäten und Tränken zu beschäftigen. Das ist aber gar nicht notwendig. Nur schon einen eigenen Sitzplatz unter einer selbst gebauten Pergola zu haben, stellt einen grossen Luxus dar. Wer seine Grünfläche nicht beackern möchte, kann sie brach liegen lassen und damit die Biodiversität fördern. Gleiches geschieht auch in den Schrebergärten mit ungenutzten Flächen. Wichtiger als der tatsächliche Gebrauch als Garten ist die Identifikation mit seinem Stück Erde und von diesem ausgehend mit seiner Wohnumgebung als sein Zuhause. Gleichermassen lässt der Garten eine Verortung in der Nachbarschaft um einen herum zu. Die Gartenkolonie ist ein sozialer Katalysator. Insofern ist sie keine verstaubte Idee unserer Urgrosseltern, sondern ein Baustein einer guten Gesellschaft.