Stadtvorgarten, Intimität und Kommunikation
In den überwiegenden Fällen heutiger Aussenraumgestaltungen werden Gärten und Plätze als allgemein zugängliche Flächen konzipiert. Neben der absoluten Offenheit und dem intimen Balkon gibt es meist keine Zwischentöne.
(…vorher) Aussenräume sind auf die eine oder andere Weise als Instrument des Abstandes zu verstehen. Dies ist gerade bei durchgrünten Gestaltungen offensichtlich, wo das Abstandsgrün mit grosser Sorgfalt kultiviert wird. Aber auch bei den harten Gestaltungen, welche die Kollision von Fassade und Platz zelebrieren, wenden sich die sensiblen Nutzungen von möglichen Passantenströmen ab. Wie das Beispiel des Inneren Lindt zeigt, blenden diese Konzepte eine wesentliche Komponente der Aussenraumqualität aus. Wo sind all die Übergänge, Zwischenräume und Nischen, welche das Erleben des Aussenraumes und das Zusammenleben interessant machen? Es scheint hier nur ein Drinnen und ein Draussen zu geben – Schwarz oder Weiss. Schliesslich wird einem klar, dass die Abstandswiesen und Nutzungsabwendungen nicht der Ursprung, sondern die Folge einer tiefgreifenden Denkhaltung sind. Denn die wesentlichen Abstände werden in diesen Aussenraumgestaltungen nicht in Metern gemessen, sondern durch die fehlenden sozialen Beziehungen der Bewohner.
Die Angebote für soziale Kontakte sind sehr spärlich gesät: Selbstverständlich gibt es einen Kinderspielplatz, eine Grillstelle und sogar einen Pingpongtisch. Mit diesen Elementen sehen die Bauherren und viele Planer ihre Pflicht dem Zusammenleben gegenüber als erfüllt an. Mit einem solchen Minimalkatalog verzichtet man aber auf viel Begegnungspotenzial und damit auf Lebensqualität. Eine Wohnung, in welche man sich zurückziehen kann, mag den Wunsch nach Intimität vordergründig befriedigen. Wenn diese Wohnung aber in einem anonymen Quartier steht, in dem man Niemanden kennt, fördert dies Ängste und nicht Wohlbefinden. Das wohlige Nest wird dann schnell zu einer klaustrophobischen Zelle.
Ein Mittel gegen Vereinsamung und Anonymität ist die Schaffung von unterschiedlich Begegnungszonen, in denen in verschiedenen Konstellationen Kontakte entstehen können. Dazu braucht es zuallererst verschiedene Bereiche, welche unterschiedliche Personengruppen anziehen: Allgemein zugängliche Spielplätze und Spazierwege locken beispielsweise Passanten von aussen an, während Grillplätze und abgetrennte Sitzplätze der Bewohnerschaft eines Hauses und Pflanzgärten und Hochbeete einer Wohnung zugeordnet werden können. Als zweites brauchet es Nähe zwischen den verschiedenen Bereichen damit Sichtkontakte und Sprechdistanzen möglich werden. Es nützt nichts, wenn der Durchgangsweg weit weg von den Gemeinschaftsgrillplätzen vorbeiführt. Zu guter Letzt bedarf es eines angemessenen, also nicht zu steilen, Intimitätsgefälle zwischen den Nutzergruppen. Es macht keinen Sinn einen sehr intimen Raum, wie die private Terrasse einer Wohnung, mit den fremden Passanten auf der Strasse zusammen zu bringen. Vielversprechender ist es, das ganz «öffentliche» mit dem «halböffentlichen» und dass «halböffentliche mit dem «halbprivaten» usw. zu verknüpfen. Je vielschichtiger diese Abstufungen von Rückzug und Offenheit sind, desto eher finden die Bewohner den Passenden grad an Intimität und Kommunikation – zwei wesentliche Eigenschaften des Wohnens, welche sich in einer qualitätsvollen Umgebung bedingen und nicht ausschliessen. (Weiter bei…)