Stadtvorgarten, Inneres Lindt

Stadtvorgarten, Inneres Lindt

Bisher haben wir uns mit Aussenräumen von Siedlungen befasst. Dabei geht es um die Bespielung eines privaten Fussgängerbereiches mit Wegen und Erholungsflächen innerhalb eines Bauareals. Damit sind Aussenraumformen zu kurz gekommen, welche direkt auf Erschliessungsstrassen ausgerichtet sind.

(…vorher) Auch die bereits besprochenen Projekte stossen mit ihren Aussenräumen irgendwo an eine Strasse. Dabei wird der Grünraum bis ans Trottoir geführt und bildet auch gegenüber dieses Verkehrsraumes eine Abstandsfläche. Man hält sich die Strasse gewissermassen fern. Auf der anderen Seite der Skala wird der Strassenraum mit harten Belägen bis an die Fassade geführt. Die Grenze zum Kern des Areals wird mit dem Gebäude selbst gezogen. Mit Vorteil werden diese Grenzgebäude auf der Aussenseite mit Dienstleistungs- und Gewerbenutzungen besetzt, um die Wohnungen nicht auf die wenig attraktive Seite ausrichten zu müssen.

Beide Lösungen – Abstand und Nutzungsabwendung – machen an viel befahrenen Verkehrsachsen sicher Sinn. An Quartiersstrassen lassen sich aber auch andere Konzepte umsetzten. Und zwar solche, die eine gänzliche andere Beziehung zum Strassenraum aufbauen können.

Ein Beispiel für einen solchen starken Strassenbezug sehen wir im Inneren Lindt in Winterthur. Das Quartier aus dem späten 19. Jahrhundert ist in rechtwinklige Strassengevierte aufgeteilt, in denen freistehende, kleine Mehrfamilienhäuser mit regelmässigen Abständen platziert worden sind. Die dreigeschossigen Hochparterrebauten mit ausgebauten Dachgeschossen, teilen sich die Quartiersstrasse als verbindenden, gemeinschaftlichen Raum. Gerade die Kinder nutzen den Strassenraum als Spielfläche und sorgen so auch für Bekanntschaften zwischen den Eltern. Die Strasse ist hier das Rückgrat des gesellschaftlichen Lebens. Natürlich trifft man sich auch auf dem Spielplatz, der ist aber einige Gehminuten von der Wohnung entfernt. Einfacher geht es also direkt vor der Haustüre.

Zwischen Strasse und Haus gibt es den klassischen städtischen Vorgartenraum. Angefangen mit einem brusthohen Zaun auf einer Sockelmauer, über einen mit Blumenbeeten bepflanzten Grünstreifen, bis zum Haus, wird eine Abfolge von Grenzelementen etabliert. Auf Grund der geringen Strassenabstände bleibt die Sichtbeziehung zu den Häusern dennoch stark präsent. Zudem wird die Wirkung des Abstandsstreifens durch die Aussenraumgestaltung immer wieder durchbrochen. Kleine lauschige Sitzplätze unter Bäumen direkt an der Strasse oder die Sitzbank an der Hausfassade nützen den Vorgarten optimal aus.

Alle diese Elemente zusammengenommen, bilden ein fein abgestimmtes System, das in seiner Gesamtwirkung die Beziehungen der Quartierbewohner untereinander fördert. Dabei liegt die Kombination des schmalen Vorgartens mit der Nutzung als meist allgemeiner Aussenraum für die Hausbewohnerschaft dem besonderen Beziehungsgefüge der Bebauungsform zu Grunde. Obschon es eine Vielzahl an grenzbildenden Elementen gibt, steht nicht das Trennende im Vordergrund. Von der beruhigten Quartiersstrasse zum allgemein genutzten Vorgarten besteht nämlich nur ein geringer Unterschied an Intimität. Bewohner und Passanten begegnen sich hier gewissermassen auf Augenhöhe. Spontane Gespräche über den Gartenzaun hinweg entstehen aufgrund der Grussnähe auch zwischen Fremden und vielmehr noch, wenn man sich schon kennt.

Mit diesem potenziellen Beziehungsgeflecht zwischen Strasse und Aussenraum befruchten sich beide Seiten. Der Vorgartenbereich wird zu einem extrovertierten Privatraum und die Strasse zu einer persönlichen Öffentlichkeit erweitert. Nimmt man das Angebot dieser gebauten Kontaktaufnahme an, wird die sonst so anonyme Stadt zu einem Zuhause. (Weiter bei…)