Stadtvorgarten, „im Lenz“
Nein, das Abstandsgrün ist nicht die einzige Form einen Aussenraum zu gestalten. Es gibt eine Vielzahl an verschiedenen Aussenraumtypologien. Drei der wesentlichsten Formen finden sich in einer Siedlung, der wir in anderem Zusammenhang auch schon begegnet sind: der Überbauung «im Lenz» in Lenzburg.
(…vorher) Die Aussenraumkonzeption «im Lenz» ist aus einem Grund bemerkenswert. Denn dort ist nicht nur eine Typologie zur Anwendung gekommen, sondern gleich deren drei. Der Grund hierfür liegt im Versuch einen fliessenden Übergang von der rohen Industriearchitektur zum grünen Bachufer zu schaffen. Der Hauptplatz, vor der ehemaligen Werkhalle, ist entsprechend klar gefasst und hart gestaltet. Wir haben diesen bereits in der Textreihe Kernstadtplatz beschrieben. Die daran anschliessenden Baugevierte umfassen Innenhofräume, welche jedoch parkartig gestaltet sind. Viel Grün sorgt dort für eine wohnliche Stimmung. Auf der anderen Seite der zentralen Erschliessungsachse liegt die Dritte Typologie – die Abstandswiesen. Mit diesen Zwischenflächen ist es gelungen, den öffentlichen Naherholungsraum im Uferbereich des Aabach nahtlos an die Siedlung anzubinden.
Diese städtebauliche Bewegung von der Industrie zum Grünraum ist sehr gut nachvollziehbar und bindet das Quartier gut in seine nähere Umgebung ein. Die starken gestalterischen Brüche an der Arealgrenze, welche wir bei solchen Projektentwicklungen meist feststellen, wurden hier vermieden. Doch auch für das Innenleben des Areals bringt die Anwendung unterschiedlicher Aussenraumtypen Vorteile. Im Wesentlichen lässt sich so der Monotonie vorbeugen, welche in grösseren Siedlungen oft vorherrscht.
Wir haben es also mit drei grundsätzlich verschiedenen Aussenräumen zu tun: dem Kernstadtplatz, dem gefassten Park und der fliessenden Grünfläche. Eine dieser drei Typologien findet sich in nahezu jeder Überbauung wieder. Sicher gibt es viele Abweichungen, Spezialitäten und Unterformen aber grob gesehen, lassen sich die meisten Aussenräume einer dieser drei Hauptformen zuordnen.
Der Kernstadtplatz zeichnet sich vor allem durch einen schroffen Übergang vom Gebäude zur allgemein zugänglichen Fläche aus. Es wird dort nicht versucht, einen Abstand zwischen Bewohner und Passant zu schaffen. Es gibt keine Übergangszonen, sondern nur Platz und Fassade. Die Fläche selbst ist zudem sehr übersichtlich, da sie kaum unterteilt ist. Strukturiert wird hier einzig mit der Geometrie der Fläche.
Der gefasste Park kann zwar, wie der Kernstadtplatz, relativ stark gefasst sein. Man denke an durchgrünte Blockrandhöfe. Aber betreffend der Übergänge von Haus zu Aussenfläche gibt es hier ein ganzes Arsenal von Massnahmen zur Abstandsbildung: Rabatten, Hecken, Mauern, Stufen und vieles mehr ermöglicht eine Schwellenzone zwischen allgemein zugänglichen und privaten Bereichen. Auch die Parkfläche selbst ist in den meisten Fällen prägnanter gestaltet und unterteilt sich in verschiedene Bereiche.
Beim fliessenden Grünraum weitet sich diese Zwischenzone zur Abstandsgewinnung auf den ganzen Aussenraum aus. Nicht mehr nur der Rand der allgemeinen Fläche soll nicht betreten werden, sondern die ganze Fläche ist Tabu. Der Aussenstehende soll sich lediglich auf den schmalen Fussgängerwegen aufhalten. Alles andere wird als Eindringen in die Privatsphäre gewertet. (Weiter bei…)