Kernstadt-Platz, Markus-Roth-Platz in Lenzburg
Mit der Europaallee haben wir eine der bekanntesten Stadtentwicklungen der Deutschschweiz besprochen. Es gibt aber auch anderenorts Stadtgebiete, die in den letzten Jahren neu entstanden sind. Dabei zeigt sich: Stadt ist nicht gleich Stadt.
(…vorher) Mit der Europaallee haben wir ein sehr dichtes Stadtraum untersucht. Neben der Volumenkomposition haben wir auch die typologische Neuschöpfung des Aussenraumes mit seinen konischen Ausdehnungen gewürdigt. Während im Zentrum Zürichs eine solch dichte Szenerie nachvollziehbar ist, liegt sie anderenorts nicht zwingend auf der Hand.
In Lenzburg beispielsweise hat man einen anderen Weg gewählt. Dort hat man direkt am Bahnhof ein durchgrüntes Wohnquartier erstellt, das punkto Dichte nicht mit der Europallee mithalten kann. Was nun wie ein Vorwurf klingt, ist vor Ort betrachtet kein falscher Entscheid. Anders als in Zürich liegt der Bahnhof in Lenzburg nicht im Stadtzentrum. Anstelle einer Ladenstrasse mit dem Wunsch nach Laufkundschaft ist hier die Platzierung einer ruhigen, durchgrünten Wohnsiedlung schlüssig.
Dennoch wollte man auf ein städtisches Flair nicht ganz verzichten. Angelehnt an die industrielle Vergangenheit des Areals, betritt man den Planungsperimeter über einen hart materialisierten, vorgartenlosen Strassenraum. Das Zentrum des Aussenraumes bildet der asphaltierter Markus-Roth-Platz. Dieser wird von zwei Riegeln und einem winkelförmigen Gebäude mit fünf bis sieben Geschossen gefasst. Auf dem Platz herrscht grosse Leere. Lediglich ein Brunnen in der Platzmitte dient als permanente Möblierung. Der einzige Baum am Durchgang zu den weiteren Häusern, belebt den Raum nur marginal.
Der schroffe Übergang zwischen Fassade und Platzfläche mag an die Europaallee erinnern, die Baukörper schaffen es aber nicht, die Platzfläche zu prägen, wie dies in Zürich der Fall ist. Dazu ist die Abmessung des Zwischenraums, im Verhältnis zu den Fassaden, zu gross und die Baukörper zu wenig spezifisch geformt. Unmittelbar sieht man sich mit der Frage konfrontiert, ob sich dieser Raum je beleben lässt. Ob sich hier je ein städtisch, dichtes flanieren oder ein lebendiges Kindergetümmel ergeben wird. Denn anders als in Zürich strömen hier keine Studenten, Konsumenten oder Büroangestellte durch das Areal, sondern nur die Anwohner der Siedlung und hoffentlich die Kinder der anstossenden Privatschule. Schliesslich wirft dieser Platz die Frage auf, ob ein Schlafquartier, auch wenn es so nahe am Bahnhof liegt, tatsächlich einen solchen urbanen Stadtplatz benötigt.
Letztere Frage kann mit ja beantwortet werden, wenn die Umstände stimmen. Der Stadtplatz ist nicht von riesigen Menschenmassen abhängig. Auch in ruhigeren Lagen kann ein harter Aussenraum ein spannendes Lebensumfeld bieten. Die Formulierung eines solchen Platzes ist aber, wie in der Kernstadt auch, von grosser Bedeutung. Kleinere Höfe können Anforderungen an Ruhe und Intimität sicher einfacher transportieren als grosse Flächen. Auflockernde Möblierungen, vielfältige Fassaden oder ausgeprägte Bepflanzungen können den Aufenthaltswert wesentlich befördern. Aber auch die Raumform kann die Kraft, Identifizierbarkeit und Charakteristik eines Ortes massgebend steigern.
Im Lenzburger Beispiel bleiben hinsichtlich all dieser Attribute viele Fragen offen. Der eben fertiggestellte Aussenraum wird noch einige zusätzliche Zutaten benötigen, um daraus einen lebenswerten Ort zu gestalten. (Weiter bei…)