Gestalten statt Regulieren
Die negativen Auswirkungen der Arealüberbauung zeigen es: Regulierungen sind nicht in der Lage die Stadt in qualitativer Hinsicht weiter zu entwickeln. Ein Ausweg bietet die starke Hand eines Stadtbaumeisters.
(…vorher) Gestalt ist etwas Spezifisches. Sie kann nicht mit allgemeinen Regulierungen definierte werden. Gerade im Städtebau gilt diese Wahrheit. Rudimentäre Baueinschränkungen, wie beispielsweise Abstandsvorschriften, können keine Stadtform hervorrufen. Gestalt muss geplant werden. Ein Plan wiederum ist meist dann am prägnantesten, wenn er aus einer Hand kommt.
Eine der prominentesten Stadtformungen ist jene von Paris zwischen 1853 und 1870. Unter der starken Hand des Stadtpräfekten Haussmann entstanden die grossen Boulevards, Pärke und kommunale Einrichtungen wie Theater und Markthallen. Dafür musste die Mittelalterliche Stadt regelrecht zerschnitten werden. So entstand in nur 17 Jahren die Ordnung und das Bild, dass noch heute die Wahrnehmung der Stadt prägt. Eine solch radikale Umformung in kürzester Zeit war nur mit einem äusserst rücksichtslosen Vorgehen zu bewerkstelligen. Denkmalpflegerische Überlegungen spielten keine Rolle. Enteignungen und Umsiedlungen setzten die Eigentumsrechte ausser Kraft. So verlustreich dieser Prozess auf verschiedenen Ebenen auch sein mochte, das städtebauliche Resultat wird auch heute noch als qualitativ hochstehende empfunden.
Das Beispiel Paris zeigt in Reinform, wie sich eine Gestaltung von oben herab auswirken kann. Doch wer die Folgen einer starken Hand im Städtebau studieren will, der muss gar nicht so weit reisen. Zwischen 1943 und 1957 wirkte Albert Heinrich Steiner in Zürich als Stadtbaumeister (Siehe dazu auch Ein einig Volk von Häusern). Zwar war sein Vorgehen nicht ganz so radikal, wie jenes von Haussmann, aber sein Einfluss war dennoch gross. Seine Überbauungspläne definierten die Setzung und Grösse der zukünftigen Bauten. Wer mit städtischer Unterstützung bauen wollte, hatte sich an diese Vorgaben zu halten. Dies ist mitunter ein Grund, warum die genossenschaftlichen Bauten der Nachkriegszeit eine solche gestalterische Durchgängigkeit aufweisen. Diese beiden Beispiele zeigen, dass die Stadt gestaltet werden kann, wenn es hierfür klare, planerisch ausformulierte Ziele gibt, welche durch einen bemächtigten Führsprecher durchgesetzt werden. In einem demokratischen Umfeld können diese Fürsprecher nicht mehr Einzelpersonen sein. Ansonsten gestaltet sich die Stadt nach jeder Legislaturperiode von neuem. Zudem besteht die Gefahr von Machtmissbrauch, wenn alle Entscheide aus einer Hand stammen. Die Ideen für die Stadtform müssen durch gross angelegte, interdisziplinäre Studien und Ideenwettbewerbe entstehen, welche der Komplexität der Stadt Rechnung tragen. Die Ausgearbeiteten Pläne müssen schliesslich so detailliert werden, dass sie auch bei Personalwechsel in Politik und Behörden über eine längere Periode schlüssig weiterverfolgt werden können. Mit einem solch konkreten Plan nimmt die Stadt ihre Form wieder selbst in die Hand. Beim Versteckspiel hinter juristischen Regulierungen kann keine Qualität entstehen. Dazu braucht es ein klar definiertes Ziel. (Weiter bei…)