Direktes Bauen
Während wir im Zusammenhang mit Lacaton und Vassal von direkter Gestalt im Sinne einer ästhetisisch verstandenen Industriebauweise gesprochen haben, kehren wir in dieser Reihe die Betrachtungsweise um und fragen: Was ist das Ästhetische an reinen Zweckbauten?
(…vorher) Von Zeit zu Zeit geschieht es, dass man an Bauten vorbeispaziert, die offensichtlicher weise so rein gar nichts mit Architektur zu tun haben und uns dennoch beeindrucken. Einem Industriebau in Volketswil kann man diese Wirkung zuschreiben. Der grosse brutalistische Baukomplex ist der Sitz eines Autohändlers und besteht aus zwei Kuben. Der eine ist ein Parkhaus, der andere eine mehrgeschossiges Gewerbegebäude. Das Besondere an diesem Bau ist eine Rampe, welche sich entlang der Fassade in die Höhe windet. Solche Aussenrampen sind an sich schon markante Bauelemente. Die Art und Weise, wie diese Rampe umgesetzt wurde, steigert diese Auffälligkeit aber noch zusätzlich.
Die Rampenkonstruktion ist in dreierlei Hinsicht aussergewöhnlich. Zum Ersten kragt sie komplett von der Fassade aus. Sie erscheint als veritabler Kraftakt und man fragt sich instinktiv, warum bei einem rationalen Industriebau nicht der einfache Lastabtrag durch eine Stützenkonstruktion gesucht wurde. Zum Zweiten konstruiert sich die Auskragung aus einem Äusseren Stützenraster und davon ausladende Trägerbalken. Auf Letzteren ist schliesslich die Fahrbahn aufgelegt. Man sieht sich an Äste erinnert, die von starken Stämmen abzweigen und die Rampe tragen. Zum Dritten ist es die ungleichmässige und sehr langsam ansteigende Rampenneigung, welche einem ins Auge sticht. Teilweise verläuft die Fahrbahn horizontal, als wolle man die Fensterbänder nicht kreuzen. Doch schon an der nächsten Fassade geschieht eben dies. Die geringe Neigung mag wohl auch mit der enormen Länge dieser Rampe zu zusammenhängen. Ganze 112m beträgt ihre Abwicklung und umspannt so drei Gebäudeseiten.
Ob für die Entstehung dieser Form baurechtliche, funktionale oder bautechnische Faktoren eine Rolle gespielt haben, bleibt von aussen betrachtet im Unklaren. Sicher ist aber, dass das Resultat daraus, eine formale Eigenwilligkeit an den Tag legt die eine tiefere Beschäftigung rechtfertigt.
Was macht die Wirkung des Bauwerkes aus? Warum fällt der Bau auf und vermag den Passanten gar zu fesseln, wo er doch offensichtlicher Weise nichts Ästhetisches an sich hat? Ist es das Verschroben, Skurrile das einem Einnimmt? Ist es das Rohe und Einfache? Ist es der zelebrierte Kraftakt, das Unperfekte oder ist es gar die schiere Hässlichkeit die hier eine Art obszöne Anziehung ausübt? (Weiter bei…)