Monitor-Spektakel

Monitor-Spektakel

Der Oikoborg spricht von vernetzten, intelligenten Monitoren im Stadtraum. Wenn wir dieses Gedankenmodell von seiner Verbindung mit dem Haus und der Architektur befreien, können sich seine Potenziale gänzlich entfalten, aber auch seine Nachteile.

(… vorher) Mal blitzen sie auf, bewegen sich hektisch, mal glimmen sie schwach im Hintergrund, sie zeigen Bilder oder sind ganz abstrakt, dann verbreiten sie eine freundliche Stimmung um darauf melancholisches Licht auszustrahlen. So könnten sich die grossformatigen Monitore nach der Vorstellung von Vera Bühlmann dereinst ausdrücken. Es ist ein Spektakel, das in unserem Lebensumfeld veranstaltet werden wird. Eine Show, die sehr stimmig unseren gesamten Sehbereich, und wohl auch einen Grossteil unseres Hörbereiches, einnimmt.

Wird das Konzept des Oikoborg konsequent umgesetzt, dann werden ihm mehr Flächen zur Verfügung stehen, als am Times Square und doch wird seine Wirkung weniger plakativ sein. Die auf einander abgestimmten Monitore arbeiten nicht nur mit Reizüberflutenden Aufmerksamkeitsstrategien. Da sie überall sind, können sie auch sanft auf unser Unterbewusstsein einwirken. Wir werden uns also weniger über aufdringliche Plakate und Beleuchtungen aufregen müssen. Wir werden von unserem Umfeld unterhalten, informiert und inspiriert werden. Wir werden ein reichhaltigeres stimmungsvolles Leben führen.

Soweit so schön. Aber diese technische Utopie hat auch eine wirtschaftliche Seite. Grosse Monitore und intelligente Steuerungen müssen finanziert werden. Was liegt näher, als diese Investitionen über Werbung zu bezahlen. Die Oikoborg könnten also durchaus eigenständige Wesen sein, hätten aber, wie wir Menschen auch, den Zwang einem Job nachzugehen. Die schönen Bilder und Stimmungen die uns unter diesen Umständen vermittelt würden, verdeckten mit ihrem ästhetischen, künstlerischen oder gesellschaftlichen Anspruch nur den wahren Grund ihres Schaffens: die Beeinflussung der Konsumenten.

Was von Vera Bühlmann (1) als gesellschaftsstiftendes Konstrukt erdacht wurde, mündet in der Realität in einen Manipulationsapparat dem man nicht entgehen oder ihn ausschalten kann. Schnell wird dabei nicht nur das Thema der Lichtverschmutzung relevant, sondern auch so etwas wie die „Informationsverschmutzung“. Dadurch dass die Monitorsensoren auch auf die einzelnen Passanten eingehen, steht sogar die Auflösung jeglicher Anonymität zur Debatte. Diskrete Überwachung ist eines, daran haben sich die meisten Menschen gewöhnt, aber von diesen Überwachern auf Schritt und Tritt angesprochen zu werden, steht auf einem ganz anderen Blatt. Bühlmann spricht in diesem Zusammenhang von kommunikativen Milieus, welche im Austausch zwischen der Monitorintelligenz und den Menschen entstehen. Die meisten Menschen sind jedoch froh, wenn sie neben ihren vielen Aufgaben und Beziehungen, nicht auch noch auf der Strasse von Fremden angesprochen werden.

So negativ wie sich die Oikoborgs hier darstellen, so realistisch ist es, dass in gut frequentierten Stadtteilen versucht wird intelligente Werbebots zu platzieren. Diese Bots können sich grosser Monitore bedienen. Die diversen Portablen Geräte, welchen unsere Hauptaufmerksamkeit gilt, werden für die Platzierung von Werbung jedoch nach wie vor wichtiger sein. (Weiter bei…)

(1) Vera Bühlmann: Für eine Architektur kommunikativer Milieus, in: Navigationen. Display I – analog, Jg.6 H.2, 2006, S. 85–104.