Lacaton und Vassal, Läden und Schiebetore

Lacaton und Vassal, Läden und Schiebetore

Der gestalterischen Anteile an Lacaton und Vassals Gebäuden sind unauffällig. Zurückhaltend designte Elemente, welche sich nahtlos in die Industriearchitektur einfügen, aber eben doch mehr sind als diese, heben ihre Werke vom Zweckbau ab.

(…vorher) Ein Beispiel für den gestalterischen Willen Lacaton uns Vassals sind die verschieden ausformulierten Tore und Türen. Am Haus Latapie sehen wir grosse Eternit-Klappläden, am Maison Dordogne sind es Schiebeläden aus Chromstahl und am Haus Keremma sind es Schiebetore aus Wellblech. Alle diese Elemente sind einfach gestaltet entsprechen aber dennoch nicht einer industriellen Bauweise im engeren Sinne. Denn sie zeigen einen, wenn auch nicht marktschreierischen, so doch markanten Willen zur Gestalt.

Beim Haus Latapie ist es das Thema des Öffnens und kompletten Schliessens der Fassadenfläche, welches durch die Klappläden erzeugt wird. Durch die gleiche Materialisierung von Wand, Dach und Klappelementen verschwinden die geschlossenen Läden in der Fläche. Das Volumen wirkt dann Abweisend und schroff. Im offenen Zustand ist das Gebäude Praktisch durchsichtig. Dieses Spiel zwischen Offen und Geschlossen kann als starker architektonischer Gedanke verstanden werden. Die Läden am Haus gehen also über die Funktion des reinen Zudeckens der Glasflächen hinaus. Sie erzählen den Passanten etwas über die Bedürfnisse der Bewohner. Es zeigt ihnen, ob sie offen für eine Begegnung sind oder ob sie sich von der Welt zurückziehen wollen. Diese Wirkung wird durch die einfache Umsetzung nicht geschmälert, sie lenkt aber bisweilen von ihr ab. Denn auffälliger als die Erzählung zu den Öffnungsgraden ist eben der bewusst billige Charakter des Hauses.

Das Maison Dordogne lässt sich zwar auch komplett von seiner Umgebung abschotten, dies geschieht aber auf eine ganz andere Weise. Das mag zwar auch der Öffnungsart geschuldet sein, wesentlicher noch ist aber der Unterschied in der Materialität. Die Architekten suchen hier keine Verschmelzung von Fassadenfläche und Ladenfläche. Vielmehr stechen die spiegelnden Chromstahlflächen der Schiebeelemente aus der Fassade heraus. Diese Materialwirkung zusammen mit einer charakteristischen Lüftungslochung im oberen Teil der Fläche macht das Schiebeelement zu einem interessanten Objekt. Die Gestalt dieser Elemente wirken auf den ersten Blick als wären sie der technisch Notwendigkeit entsprungen. Die Materialität spricht jedoch dagegen. Die Chromstahloberfläche scheint zu auffällig, als das sie ohne bewussten Entscheid verbaut worden wäre.

Beim Haus Keremma ist es nicht die Materialtität, die gestalterisch aufhorchen lässt, sondern die geometrische Konstellation der drei Häuser und ihrer Schiebetore. Die Bauvolumen sind auf den ersten Blick willkürlich verdreht zueinander gestellt. Die Verlängerung der vorderen Gebäudeflucht läuft aber immer exakt auf die Ecke des Nachbargebäudes. Sichtbar wird dies durch die grossformatigen Schiebetore. Die Wellblechflächen lassen sich gänzlich von der Fassade wegschieben und stehen schliesslich als freistehende Fläche zwischen den Häusern.  So entsteht eine zusammengehörige Gebäudeformation – ein Gehöfte, wenn man so will. Mit Einfachen Toren wird hier also eine gänzlich architektonische Wirkung hervorgerufen.

Bei allen drei Beispielen sind die Anleihen an eine industrielle Materialisierung und Konstruktionsweise klar erkennbar und bisweilen das dominante Element der Gestaltung. Diese bewusste Direktheit tarnt zwar die architektonischen Ambitionen der Bauteile, sie ist aber dennoch ablesbar. Dieses Hin- und Her zwischen einer industriellen Wirkung und der architektonischen Erzählung machen die Bauten von Lacaton und Vassal so interessant und aussergewöhnlich. (Weiter bei…)