Lacaton und Vassal, Non-Design?
Lacaton und Vassal behaupten ihre Bauten von Innen heraus zu entwickeln. Die formale Gestaltung liege nicht in ihrem Fokus. Sie sei vielmehr ein Nebenprodukt ihrer Entwurfsstrategie. Aber stimmt das auch wirklich? Kann man es sich verkneifen im Prozess zu gestalten? Gibt es so etwas wie designtes Non-Design?
(…vorher) Von innen heraus zu entwerfen kann vieles bedeuten. Bei Lacaton Vassal meint dies, dass sie als Gestalter sehr nahe am Nutzen für den Bewohner ausgerichtet sein wollen. Sie starten ihre Arbeit nicht mit einem gefestigten gestalterischen Ziel, sondern kümmern sich mehr um die Funktionen und Möglichkeiten für den Bewohner.
Diese Arbeitsweise führt beim französischen Duo zu einfachen, meist auf das technisch Notwendige reduzierte Bauten. Das bedeutet aber nicht, dass ihre Projekte gar nicht gestaltet sind, zumal man sich fragen kann, ob es etwas ungestaltetes überhaupt gibt. Selbst die unscheinbarsten Gebäude können nicht ohne die Beantwortung einiger gestalterischer Fragen geplant werden. Die Form des Gebäudes ist nur dann nicht kontrolliert, wenn gar nicht voraus gedacht wird. Dann aber entsteht kein funktionierendes Gebäude, sondern höchstens ein bewohnbarer Materialhaufen.
Von gewöhnlichen Bauten – von Haufen ganz zu schweigen – kann man bei den Projekten von Lacaton und Vassal nun wirklich nicht sprechen. Obschon die Häuser einfach konstruiert sind, können sie weder als unscheinbar noch als unkontrolliert beschrieben werden. Irgend eine Form von Gestaltungsvorstellung muss es also auch bei diesen Architekten gebe.
Überblickt man ihr Werk, dann lässt sich eine ziemlich klare gestalterische Linie heraus lesen: Auffällig ist ihre eingeschränkte Materialpalette. Oberflächen bilden sie mit unbehandeltem Sperrholz, mit Wellplatten aus Eternit, Blech und durchsichtigem Polykarbonat. Die Böden sind meist harte Gussbeläge. Konstruktionselemente werden in einfachen Stahlkonstruktionen oder rohem Beton gehalten.
Die sich aus der Härte und Kühle der Materialien entwickelnde Raumstimmung wird noch durch einfache Konstruktionsprinzipien gesteigert. Zudem lässt sich ein starker Hang zu grossen Fensterfläche und transparenten Dachflächen feststellen. Lacaton und Vassal erreichen mit diesem gestalterischen Katalog eine Wirkung wie sie Industriebauten eigen ist. Begriffe wie günstig, roh und direkt kommen einem in den Sinn.
In der Anwendung der Materialien und Konstruktionsweisen ähneln sich die Projekte der französischen Architekten. Es mag wohl sein, dass sich Lacaton Vassal während des Entwurfs nicht gross um das Design kümmern. Dass dabei trotzdem markante, charakteristische Gebäude entstehen, liegt aber nicht an einer selbstverständlich entstehenden Gestaltung, sondern wohl eher an einem im Voraus definierten Gestaltungskanon. Von Non-Design kann also keine Rede sein. (Weiter bei…)