Teil 4, Gestaltung statt Ideologie

Teil 4, Gestaltung statt Ideologie

Wenn wir versuchen uns von den Ideologien fern zu halten, dann müssen wir uns gänzlich auf die Tatsachen beschränken. Dann versuchen wir keine Zusammenhänge zu erzwingen, damit sie eine Gesamtidee stützen, sondern wir beschreiben kühl, welche gestalterischen Mittel es gibt, wie sie funktionieren und welches ihre Vor- und Nachteile sind.

(vorher…) Eine Schwierigkeit, welche uns die ideologische Betrachtungsweise eingebrockt hatte, war die Opposition der Begriffe und ihrer Gestaltungsmittel. Wer der klassischen Moderne verpflichtet war, der durfte keine Transluzenten Glasscheiben verwenden, da dies der anzustrebenden Klarheit widersprochen hätte. Umgekehrt konnte kein philosophisch bewanderter Architekt nach Lyotard noch etwas anderes als transluzente Oberflächen verarbeiten. Denn schliesslich hatte er verstanden, das es so etwas wie Wahrheit nicht gibt und daher auch der Wunsch nach der klaren Sicht auf diese Wahrheit einer Illusion gleich kam.

In der Zwischenzeit haben sich die Ideologien erneut verschoben. Die Architekten sind weniger Philosophiehörig geworden und arbeiten pragmatischer. Die Meisten lassen sich nicht mehr auf eine einzige Gestaltungsrichtung festlegen. Je nach Projekt, oder gar je nach Raum, kommt die Klarsicht, das Durchscheinen oder ein ganz anderes Gestaltungsmittel zum Einsatz. Der Weg steht damit offen, die in dieser Reihe gezeigten Gestaltungsmittel frei zu kombinieren. Dieses Vorgehen ist mit der Verwendung von Farben in der Malerei vergleichbar. Die Farben sind die Mittel, aus der ein Bild erstellt wird. Wie diese zusammengemischt und auf der Leinwand verteilt werden, ist eine Angelegenheit des Malers. Auch der Architekt kann solche Mittel nach seinem Gutdünken zum Einsatz bringen. Anstelle des Pinsel verwendet er jedoch Pläne, seine Leinwand ist die Baustelle und seine Farben sind die architektonischen Gestaltungsmittel, von denen die Vorgestellten Mittel (Transparenz, Transluzenz, Schleier, Flächige Mehrfachlesbarkeit, usw.) nur ein kleines Segment bilden.

Wie sich zeigt, schränken Ideologien die Wahl und Kombinationsmöglichkeit der architektonischen Mittel stark ein. Sie konservieren ihre eigenen Errungenschaften und  sperren sich gegen jegliche weiterführenden Experimente. Dabei geht die Freude am gestalten verloren, die letztlich alle Architekten antreibt.