Retro, Hackbraten-Architektur

Retro, Hackbraten-Architektur

Was bewegt heute die Architektur? Welche innovativen Theorien stehen den Bauten Pate? Welcher Diskurs spaltet die Fachwelt? Was macht Furore? Eigentlich nichts so richtig. Es geht höchstens noch um Geschmack:

Heute stellt sich die Architekturtheorie als etwas wenig sperriges dar. Man gibt nichts mehr auf Ideologien und hält sich von Fanatismen jeglicher Art fern. Im Vergleich zu den Kämpfen, die über das letzte Jahrhundert hinweg ausgetragen wurden, geht der Diskurs heute recht ruhig und beschaulich zu und her. Man macht nichts Extremes und von allem ein wenig. In diesem gemässigten aber vielgliedrigen Umfeld eine Haltung zu finden, ist die grosse Herausforderung für jeden design-affinen Architekten.

Mit einer der eigenwilligeren Antworten auf diese Frage sind Fickert Knapkiewicz bekannt geworden. Ihre unkonventionelle Farbanwendung (z.B.: Klee), die Anleihen an der italienischen Nachkriegsmoderne (z.B.: Lokomotive) und die Leidenschaft zu geometrischen Grundkörpern (z.B.: Wettbewerb Citycenter Rapperswil) beschert ihren Bauten einen starken Wiedererkennungswert. Diese Wiedererkennung erreichen Fickert Knapkiewicz häufig mit dem Aufbrechen gestalterischer Konventionen. Folgerichtig lautete der Titel ihrer Ausstellung am Architekturforum Zürich: “Darf man das?”. Trotz Eigenwilligkeit und Regelbruch entstand darüber aber keine ausgedehnte Debatte. Denn diese Frage wurde längst beantwortet: Man darf alles!

Das kann mit einer ohrenschmeichelnden Rhetorik zusammenhängen; Das kann mit einer offenen, alles verstehenden Gesellschaft erklärt werden; Es kann aber auch auf völligem Desinteresse zurückgeführt werden. Letzteres ist wohl am wahrscheinlichsten, denn wo die Ideologie oder mindestens eine Theorie fehlt, da fehlt auch der Massstab für die Einteilung zwischen Richtig und Falsch. Ohne solche Einteilungen machen klare Positionen keinen Sinn. So kann alles nebeneinander existieren. Dort der brutalistische Sichtbeton, hier der traditionelle Kammputz – die verschiedenen Architekturen stehen unvermittelt Seite an Seite.

Gleiches lässt sich in der Gastronomie beobachten: Wer durch die Stadt flaniert, wird eine grosse Palette an unterschiedlichsten Kochtraditionen finden: Man geht zum Chinesen, zum Thai oder zum Inder; Man bestellt sich einen Döner-Kebab, eine Pizza oder Pommes; Man ist Raclette, Weisswürste mit Sauerkraut oder Risotto; oder man Entscheidet sich für den Burgerladen, den Libanesen, den Mexikaner, den Griechen, und, und, und.

Die Breite des Angebotes ist ein wahrer Segen für alle jene, die nicht jeden Tag ein Schnitzel verdrücken wollen. So ist die Abwechslung ein Luxus den wir beim Essen nicht hinterfragen. Heute haben sich die Architekten-Innen, Wettbewerbsjuror-Innen und Architekturjournalist-Innen dieser Sichtweise angeschlossen. Daher ist es auch kritiklos möglich, nach allen bahnbrechenden Entwicklungen von Koolhaas, HdM und wie sie alle heissen, in ein klassizistisches Aufwärmen alter Formen zurückzukehren. Nach dem wir um die Nuller-Jahre der niederländischen Experimentalküche nachgeeifert haben, besinnen sich viele auf die guten alten Rezepte aus Grossmutters Kochbuch.

Die Architektur von Fickert Knapkiewicz verkörpert insofern den Geist eines Hackbratens.  Ohne Zweifel ist dieses Menu schmackhaft und bisweilen eine sympathische Abwechslung zu Molekularküche und Tofu-Schuppen. Der Hackbraten vermag Kindheitserinnerungen zu transportiert die einen guten Teil unserer Persönlichkeit geformt haben. Allerdings wirkt das Menu neben dieser geschmacklichen Tiefe auch immer etwas angestaubt.

In der Absenz einer kontroversen Debatte ziehen sich viele Architekten auf die letzte natürliche Position zurück, die in ihnen steckt. Und das sind keine hehren Ideale oder die pure Logik, sondern die Summe ihrer Gefühle und damit letztlich ihr gastronomischer Geschmack. (Weiter bei…)