Teil 4, Die Vielfalt der Gesamtwirkung
Wie im vorletzten Beitrag angedeutet, liegt das tatsächliche Potenzial aller besprochenen optischen Eigenschaften in ihrer Kombination und Orchestrierung. Nach dem nun die wichtigsten Ideen und Thesen zur Transparenz und Transluzenz besprochen worden sind, soll der Versuch einer Katalogisierung unternommen werden.
(vorher…) Die Phänomene können nach unterschiedliche Ordnungskriterien unterteilt werden. Hier soll die Unterscheidung entlang der Anzahl zusammenwirkender Eigenschaften vorgenommen werden: Es sind dies einfach, optische Phänomen; zweifach optische Phänomene; und mehrfach optische Phänomene.
Zu den einfachen Eigenschaften gehören die Transparenz, die Transluzenz, die Opazität und die Spiegelung. Alle diese Charekteristika sind durch eine einzige optische Merkmale definiert: Die Abwesenheit der Lichtbeeinflussung bei der Transparenz, die Lichtstreuung bei der Transluzenz, die Absorabtion bei der Opazität und die Reflexion bei der Spiegelung.
Zu den zweifachen Eigenschaften gehören die Trübung und die Tönung. Damit sie wahrgenommen werden können, muss zunächst eine der einfachen Eigenschaften vorhanden sein. Trübung und Tönung können mit der Transparenz, der Transparenz und der Spiegelung zusammenwirken. Eine Ausnahme bildet einzig die Opazität, da für die Tönung die Weiterleigung von Licht notwendig ist und für die Trübung selbst Opazität verantwortlich ist.
Mehrfachphänomene sind schliesslich eine Ansammlung vieler optischer Eigenschaften. Spiegelung, Durchsicht, Streuung, Absorption, Trübung, Tönung können zu ganz unterschiedlichen Anteilen in einer Oberfläche vereint werden.
Neben der Unterscheidung nach den optischen Eigenschaften, lassen sich im Zusammenhang mit dem architekturtheoretischen Diskurs die optischen Phänomen auch nach ihrem räumlichen Aufbau unterscheiden:
Die Transparenz hat keine sichtbare räumliche Eigenschaft. Erst durch die Kombination mit der Trübung oder der Tönung wird das durchsichtige Material als solches sichtbar. Mit diesen Ergänzungen wirkt sie als Ebene, hinter der Gegenstände und Räume erkannt werden können, obschon sie materiell verdeckt werden. Gleiches gilt auch für die Transparenz mit dem Unterschied, dass die Lesbarkeit von Räumen wesentlich schlechter funktioniert, da bei grosser Streuung die Raumtiefe kaum abzubilden ist. Hingegen wirken Gitter und Lochflächen räumlich gleich wie schwach getrübte, transparente Schichten. Selbst die Rahmungen im grösseren Massstab bilden Ebenen, wie das bei den Gittern der Fall ist. Hier braucht es aber bedeutend mehr Interpretationsfähigkeiten um diese Begrenzungsebenen tatsächlich zu erkennen. Das aber macht gerade ihren Reiz aus, da sich an einer Komposition verschiedener solcher Ebenen immer wieder neue Aspekte entdecken lassen. Letzten Endes ist der Unterschied zwischen Gittern und Rahmen jener des Massstabes. Während uns Erstere meist als feinmaschige Flächen erscheinen, können Zweitere als Ganzes eine Raumbegrenzung bilden.
Vom immer gleichen räumlichen Aufbau (teiltransparente / transluzente Vordergrundeben und erkennbarer Gegenstand im Hintergrund) muss Rowes und Slutzkys Transparenz im übertragenen Sinn unterschieden werden. Obschon es sich um eine Komposition von hintereinander liegenden Ebenen handelt, ist die Räumlichkeit nach der Vorstellung der Autoren möglichst zu unterdrücken. Die Wirkung, welche Rowe und Slutzky postulieren spielt sich in der Zweidimensionalität der Frontalansicht ab. Dem gegenüber steht das räumliche Prinzip der Transparenz und Transluzenz, die nur dann erfahren werden kann, wenn auch eine Bewegung stattfindet. Nur durch die perspektivische Verschiebung durch die Bewegung können die Bildkomponenten unterschiedlichen, hintereinander liegenden Ebenen zugeordnet werden. (Weiter bei …)