Teil 4, Das Gitter

Teil 4, Das Gitter

Die transparente Fläche haben wir bereits von ihren Rändern und den opaken, trübenden Teilen unterschieden. Ganz ähnlich wie solche getrübten und gerahmten Oberflächen funktionieren Gitter und gelochte Oberflächen. Wie aber sind diese zu verstehen? Sprechen wir hier berechtigterweise von Transparenz?

(… vorher) Bisher haben wir uns primär mit der Wirkung von Glas beschäftigt. Dieses ist trotz seiner festen Körperlichkeit, seiner Masse durchsichtig. Im Unterschied dazu sind Gitter und Lochbleche offene Ebenen. Sie bestehen nur aus Rahmen und nur aus opaken Anteilen. Die Zwischenräume sind leer. Genauer gesagt, sind die Leeren Stellen in unserer Lebenswelt meist mit Luft gefüllt.

Natürlich kann auch bei Luft von einem gefüllten Raumbereich gesprochen werden. Statt mit einer festen Masse, haben wir es hier mit einem gasförmigen Stoff zu tun. Dennoch sprechen wir kaum von der Transparenz der Luft. Das hängt damit zusammen, dass Luft in unserer Umgebung ein allgegenwärtiges Gut ist und daher nicht speziell bezeichnet werden muss.

Wir blicken permanent durch die Luft hindurch. Es ist also grundsätzlich nicht falsch auch hier von Transparenz zu sprechen. Allerdings besteht das Gitter oder das Lochblech technisch gesehen nur aus Metall. Die Luft wird nicht aktiv in die Oberfläche eingebaut, sie ist einfach da. Das zeigt der Umstand, dass ein Gitter auch im Vakuum ein Gitter bleibt.

Gitter unterscheiden sich also von Glas gänzlich. Während beim Glas, das Material selbst durchsichtig ist, bleibt das Gitter opak. Nur die Leerstellen, welche materiell gesehen nicht zum Gitter gehören, ermöglichen den Blick durch die Gitterebene. Wir sehen also nicht durch das Gitter hindurch, sondern zwischen den Gitterstäben hindurch. Anstelle von Durchsicht sollten wir also von Zwischendurchsicht sprechen.

Auch wenn diese Differenzierung klar begründbar sein mag, so wirkt sie auf den ersten Blick doch als eher spitzfindig. Die Tragweite dieser Unterscheidung zeigt sich jedoch, wenn wir auf Rowes und Slutzky’s Transparenz im übertragenen Sinn zurückblicken: Wenn Transparenz nur durch feste Materialien hindurch existiert und nicht durch gerahmte leere Ebenen, dann kann nicht mehr von einer Transparenz im übertragenen Sinn gesprochen werden. Die hintereinander gestaffelten Ebenen an Le Corbusiers Villa Stein-de-Monzie sind schliesslich nicht durch das Glas hindurch sichtbar, sondern lediglich hintereinander gestellt. Ihre Wirkung entfaltet auf Grund der imaginären Ebenen die sie Bilden, wie es Rahmungen oder die Gitterstäbe auch tun.

Rowe’s und Slutzky’s These, hat demnach nichts “übertragenes” an sich. Es handelt sich um die profane Staffelung von gebauten Ebenen. (Weiter bei…)