Prozess versus Gestaltung

Prozess versus Gestaltung

Nach Sitte ist die Form der Altstadt das Ergebnis von jahrhundertelangen Prozessen. Von diesem Entwicklungsgang sollen wir lernen, um dessen Qualitäten auf die heutige Stadt übertragen zu können. Aber kann mit den Mitteln der Planung eine Form erzeugt werden, welche sich nicht durch Planung ergeben hat?

(… vorher) Die klassische Planung ist ein punktueller Akt. Der Autor vertieft sich in die Problematik, entwickelt eine Lösung und zeichnet davon einen Plan. Diese Zeichnung wird möglichst genau in die Realität umgesetzt und soll dann genau so Jahrhunderte lang bestehen. Demgegenüber steht der Prozess. Auch hier werden Lösungen generiert, aber das Ergebnis besteht nicht für alle Ewigkeit. Anpassungen an neue Bedürfnisse, andere finanzielle Möglichkeiten, baurechtliche Neuerungen und vieles mehr, führen zu Veränderungen.

Die Beständigkeit von Bauten, und somit die Linearität des beschrieben Planungsablaufes, ist nichts Unrealistisches. Viele bekannte Bauten folgen diesem Prinzip: Schlösser und  Tempel sind uns so über die Jahrhunderte erhalten geblieben. Für die Stadt allerdings steht der Prozess im Vordergrund. Hier bestimmt nicht ein Fürst, dessen Machtanspruch in Stein gemeisselt wird. Es sind viele kleine Akteure, welche ständig bestrebt sind ihre Lebensbedingungen zu verbessern. Bewegung ist das Merkmal einer lebendigen Gesellschaft. Eine städtebauliche Planung ist damit gewissermassen ein Widerspruch in sich selbst. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine geplante Lösung auf Dauer besteht. Die Stadt überlebt jeden Architekten und die neuen Generationen haben andere Vorstellungen als ihre Vorgänger. In der heutigen demokratischen Gesellschaft kommt erschwerend hinzu, dass viel mehr Interessen berücksichtigt werden müssen. Es kann nicht mehr so einfach von oben herab verordnet werden, wie sich die Stadt zu entwickeln hat. Ist unter diesen Umständen eine Planung überhaupt noch eine sinnvolle Sache?

Die Planung von Objekten hat auf den Städtebau einen nachrangigen Einfluss. Anstelle der konkreten Körper können aber die Rahmenbedingungen geregelt werden, innerhalb derer die einzelnen Bauten errichtet werden dürfen. Von einer solchen Definition, in Form einer kleinteiligen Parzellierung, haben die mittelalterlichen Städte über Jahrhunderte profitiert. Sie sind auf Grund dieses Rahmens, trotz eines stetigen Veränderungsprozesses, in ihrer Form erstaunlich konsistent geblieben.

Formale Gestaltung kann nicht das primäre Werkzeug sein um einen Stadtkörper auszubilden. Es ist zwar wichtig, dass eine solche formale Gestaltung stattfindet. Sie ist aber der Festlegung von Strukturen und Entwicklungsprinzipien nachgeordnet. Diese Bestimmungen sind wichtig, weil sie langfristig aufrechterhalten werden können. Sie greifen auf der Ebene des Prozesses und nicht auf jener der Form ein. (Weiter bei…)