Zähringerstädte, Relevanz des Wachstums

Zähringerstädte, Relevanz des Wachstums

Wie sich im voran gegangenen Text gezeigt hat, ist der Aspekt des Wachstums für die Wirkung der Stadt nicht hauptverantwortlich. Demnach ist es irreführend, wenn wir formale Qualitäten unter dem Titel der gewachsenen Struktur behandeln. Aber wovon sollen wir stattdessen sprechen?

(… vorher) Der Unterschied zwischen den verschiedenen städtebaulichen Prinzipien besteht in den ihnen zu Grunde liegenden Geometrien. An der gewachsenen Stadt beeindruckt uns nicht in erster Linie das Wachstum, sondern die Komplexität der Zusammenfügung und der Reichtum der Formvielfalt. Im Kern unserer Wahrnehmung mittelalterlicher Altstädte liegt demnach deren komplexe Geometrie.

Diese Bezeichnung ist aber reichlich weit gefasst. Unter dem Titel der komplexen Geometrie lassen sich auch topografische Arbeiten, wie das Hafenterminal Yokohama von FOA, Stromlinienformen à la Zaha Hadid oder chaotische Körper nach dem Gusto von Coop Himmelb(l)au verstehen.

Eine Abgrenzung von anderen komplexen Geometrien lässt sich über deren innere Prinzipien definieren: Die formale Eigenheit der europäischen Altstädte beruht auf ihrer kleinteiligen Parzellenstruktur. Diese sind dem Sinn nach als Rechtecke zu verstehen. Die Abweichungen aus der klaren Geometrie ergeben sich durch übergeordnete Faktoren, wie der Ausweitung für einen Platz, der Anpassung an die Topografie oder an begrenzende Flussläufe und dergleichen. Durch die Addition von kleinen Zellen ist die Form der Stadt sehr anpassungsfähig, ohne die Bebaubarkeit der einzelnen Teilflächen zu gefährden.

Die formale Komplexität kann als Folge der plastisch verformten Zellenstruktur verstanden werden. Der mittelalterliche Stadtplan ist nach dieser These eine wabrige Zellmasse, welche über einen Ort wuchert und auf Grund externer Faktoren seine genaue Passform erhält. Es kann also von einer zellulären Anpassungsgeometrie gesprochen werden.

Nach dieser Lesart sind die einzelnen formalen Elemente, wie Vorsprünge und schiefe Flächen, das Ergebnis eines übergeordneten Ordnungsvorganges. Dazu ist das Wachstum nicht notwendig. Eine flexible Zellstruktur kann auch in einer klassischen Planung auf Grund der äusseren Rahmenbedingungen geformt werden. (Weiter bei…)