Ringling, Ein Wort zur Qualität

Ringling, Ein Wort zur Qualität

Im Zusammenhang mit der vom Bundesgericht aufgehobene Baubewilligung des Projektes Ringling wird die städtebauliche Qualität kontrovers diskutiert. Was aber bedeutet das Wort Qualität?
David Leuthold schreibt in seinem Beitrag im Tec21 44/2016: “ Zähneknirschend müssen wir hinnehmen, dass viele Kultur- und qualitätslose Bauten ohne jegliche öffentliche Debatte gebaut werden, während dieses mutige und wegweisende Projekt (Ringling) […] gestoppt wird.” Die Qualität des Projektes begründet sich, nach Leuthold, in der äusserst guten Umsetzung der Anforderungen welche wiederum in einem vorbildlichen Verfahren erarbeitet wurden. Das Bundesgericht urteilt hier anders. Doch wie kann es sein, dass eine von Fachleuten verbürgte Qualität vor Gericht nicht bestehen kann?
Eine Antwort darauf liegt im Begriff der Qualität selbst: Der ISO-Norm 9000:2015-11 zu Folge gibt die Qualität an, in welchem Maße ein Produkt den bestehenden Anforderungen entspricht. Qualität kann folglich nur im Bezug zum gestellten Anforderungsprofil postuliert werden. Die Wettbewerbsjury war im Rahmen ihrer Beurteilung offensichtlich bereit, die Anforderung nach einer guten Einordnung, im Austausch für die vielen Vorteile in anderen Bereichen, niedrig zu gewichten. Dieser Entscheid war es, der vor Bundesgericht nicht standhielt. Die Konsequenz daraus ist klar. Was sich künftig nicht an der städtebaulichen Typologie und Körnung der Nachbarschaft anlehnt, ist durch geschickte Bauanwälte leicht zu Fall zu bringen. Preisgekrönte Blockränder wie das Klee und das Triemli wären heute wohl ebenfalls zum Scheitern verurteilt. Dieser Gerichtsentscheid erstickt damit jegliche städtebauliche Neuerung im Keim und versperrt den Weg zu innovativen Lösungen. Denn wenn sich das Neue stets am Bestehenden zu orientieren hat, müssen auch die Fehler der Vergangenheit endlos wiederholt werden.
Wie aber kommt der Städtebau aus dieser Sackgasse wieder heraus? Gerichte urteilen bekanntlich auf der Basis von bestehenden Gesetzten und Normen. Da das Geplante, Zukünftige per Definition noch nicht existiert, ist es nachvollziehbar, dass sie ihr Urteil auf den Status Quo abstützen. Damit ist die „werdende Stadt“ gegenüber der „bestehenden Stadt“ im Nachteil. Es ist daher notwendig das Gewicht der „zukünftigen, besseren Stadt“ zu stärken und ihr vor allem rechtlich Geltung zu verschaffen.
Der Architekturwettbewerb kann dies nicht leisten, denn das städtebauliche Anforderungsprofil muss politisch legitimiert sein, damit die Gerichte darauf zurückgreifen können. Soll Rechtssicherheit erreicht werden, kann sich der Souverän oder dessen parlamentarische Vertretung nicht aus der Verantwortung ziehen, in dem die Entscheidungsgewalt einem Expertengremium abgegeben wird. Die Politik muss die Form der Stadt selbst bestimmen, in dem sie sich auf städtebauliche Leitlinien einigt. Um es mit Dürrenmatt zu sagen: „Was alle angeht, können nur alle lösen.“
Vor dem Architekturentwurf muss demnach eine städtebauliche Ideensuche zum ganzen Quartier stattfinden, welche die Bautypologie in groben Zügen bestimmt. Ein solches Verfahren bietet die Chance für einen fruchtbaren Diskurs innerhalb der Fachwelt und darüber hinaus mit dem Stimmvolk. Damit ist nicht nur für Rechtssicherheit, sondern auch für eine grundstückübergreifende Quartierscharakteristik gesorgt.
Ob die Politiker, die Beamten und die Sachverständigen allerdings grosse Lust verspüren, die Stadtquartiere tatsächlich zu gestalten, statt Parzelle um Parzelle an ihnen herum zu frickeln ist äusserst fraglich. Wahrscheinlicher ist, dass man weiterhin mit Architekturwettbewerben gute Bauten entwirft, um sie danach von Anwälten, mit dem Bundesgerichtsentscheid im Rücken, genüsslich demontiert zu bekommen.